Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 284
Formulierungsbeispiele
1. |
Die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers bei der XY GmbH wird angerechnet. |
2. |
Auf die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers werden Betriebszugehörigkeitszeiten bei anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes angerechnet. |
3. |
Die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers bei der XY GmbH wird angerechnet, soweit es bei der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes und der Bemessung der Kündigungsfristen auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ankommt. |
aa) Vereinbarung der Anrechnung
Rz. 285
Durch vertragliche Vereinbarung kann eine gesetzlich nicht berücksichtigungsfähige frühere Beschäftigungszeit bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit angerechnet werden. Eine solche Regelung ist, da sie den Arbeitnehmer gegenüber der gesetzlichen Regelung begünstigt, uneingeschränkt zulässig und insbesondere bei kooperativer oder konzernhafter Verbindung rechtlich selbstständiger Unternehmen üblich (vgl. auch Rdn 1617). Eine Verpflichtung zur Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten besteht jedoch auch in diesen Fällen nicht.
Rz. 286
Auch ohne ausdrückliche Anrechnungsvereinbarung können die Umstände des Einzelfalls auf die Annahme einer stillschweigenden Anrechnungsvereinbarung schließen lassen. Dies soll nach der Auffassung des BAG zwar nicht in jedem Fall gelten, in dem der Arbeitnehmer bereits außerhalb eines Arbeitsverhältnisses mit unveränderten Aufgaben für den Arbeitgeber tätig geworden ist; allerdings soll bspw. bei der Weiterbeschäftigung eines abberufenen Geschäftsführers in einem Arbeitsverhältnis im Zweifel eine Anrechnung der Beschäftigungszeit als Geschäftsführer auf die Wartezeit vereinbart sein, wenn dieser bereits früher als Arbeitnehmer tätig gewesen ist. Auch die vertragliche "Übernahme" eines Arbeitsverhältnisses "mit gleichen Rechten und Pflichten" beinhaltet regelmäßig eine konkludente Anrechnungsvereinbarung.
bb) Umfang der Anrechnungsvereinbarung
Rz. 287
Die umfassende vertragliche Anrechnung früherer Betriebszugehörigkeiten (siehe oben Rdn 284, Beispiele 1 und 2) führt dazu, dass die angerechnete Betriebszugehörigkeit in allen Bereichen zu berücksichtigen ist, in denen es auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ankommen kann. Demgegenüber ist es auch zulässig, die Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten nur für bestimmte gesetzliche Tatbestände (Wartezeit für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, Berechnung von Kündigungsfristen) oder auch nur für die Berechnung bestimmter arbeitgeberseitiger Leistungen (Sozialplanabfindungen, Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung) zu vereinbaren. So muss die Anrechnung der Betriebszugehörigkeit im Hinblick auf eine Fluguntauglichkeitsversicherung nicht ohne Weiteres die Anrechnung auch im Rahmen der Betriebsrente beinhalten. Sofern die Anrechnung nicht umfassend gelten soll, muss eine entsprechende Begrenzung ausdrücklich vereinbart sein (siehe oben Rdn 284, Beispiel 3). Eine Auswirkung auf den Geltungsbereich des KSchG dahingehend, dass Anrechnungszeiten vor dem 31.12.2003 zu einem Status als "Alt-Arbeitnehmer" i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG führen, hat die Anrechnung von Betriebszugehörigkeitszeiten nicht.
cc) Anrechnungsvereinbarung und Sozialauswahl
Rz. 288
Die vertragliche Anrechnung früherer Betriebszugehörigkeiten kann bei der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG zu einer höheren sozialen Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers, zu dessen Gunsten die Anrechnung vereinbart wurde, und damit zu einer Verringerung des gesetzlichen Kündigungsschutzes anderer Arbeitnehmer führen. Die Berücksichtigung vertraglich erweiterter Betriebszugehörigkeitszeiten im Rahmen der Sozialauswahl wird deshalb nur dann zugelassen, wenn die sich zu Lasten eines anderen Arbeitnehmers auswirkende Anrechnungsvereinbarung ohne missbräuchliche Intention und nicht allein zur Umgehung der Sozialauswahl vereinbart wurde; zudem muss für die Anrechnung ein sachlicher Grund bestehen (vgl. Rdn 1045).