Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 292
Bei der Anrechnung von Krankheits- und anderen Fehltagen auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers handelt es sich maßgeblich um eine Frage der Erfüllungswirkung. Der Urlaubsanspruch wird grds. bereits durch die verbindliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber erfüllt. Entfällt während des festgelegten Urlaubs aus anderen Gründen die Arbeitspflicht, so wird dem Arbeitgeber die Urlaubsgewährung zwar unmöglich, § 275 BGB, der Urlaubsanspruch erlischt bei fehlendem Vertretenmüssen des Arbeitgebers jedoch ersatzlos. Urlaubsstörende Ereignisse fallen daher als Teil des persönlichen Lebensrisikos grds. in den Risikobereich des Arbeitnehmers; sie werden auf den Urlaubsanspruch "angerechnet". Dies gilt nur dann nicht, wenn sich aus besonderen gesetzlichen Regelungen eine andere Risikoverteilung ergibt; so sind bspw. während des Urlaubs abzuleistende Einsatztage für das Technische Hilfswerk nicht auf den Urlaubsanspruch anzurechnen, da der Arbeitnehmer für den THW-Einsatz unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt werden müsste und die Anrechnung gegen das Benachteiligungsverbot des § 3 THW-Helferrechtsgesetz verstoßen würde. Ausnahmen gelten darüber hinaus in den Fällen, in denen das Gesetz die Anrechnung bestimmter Zeiten auf den Urlaubsanspruch ausdrücklich untersagt.
Rz. 293
Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, so verbietet § 9 BUrlG die Anrechnung der Krankheitszeiten auf den Urlaubsanspruch, wenn diese zur Arbeitsunfähigkeit führen und ärztlich nachgewiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Krankheit den Erholungszweck objektiv nicht beeinträchtigt. Diese Regelung ist grds. zwingend und kann arbeitsvertraglich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers modifiziert werden. Eine Regelung, die zur Begründung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung neben dem auch gesetzlich geforderten ärztlichen Nachweis zusätzlich die unverzügliche Anzeige der Arbeitsunfähigkeit fordert, wäre deshalb unwirksam, soweit sie sich auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht. Da sich das Gebot der Unabdingbarkeit in § 13 BUrlG allerdings nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht, bleibt es zulässig, eine solche Regelung für darüber hinausgehende vertragliche Urlaubsansprüche zu vereinbaren. Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen ursprünglich einen Günstigkeitsvergleich zwischen der gesetzlichen und der vertraglichen Regelung vorgenommen. Stellte die vertragliche Regelung den Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des vertraglichen Zusatzurlaubs insgesamt besser, war diese auch dann wirksam, wenn sie in einzelnen Punkten Abweichungen von den Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes zum Nachteil des Arbeitnehmers beinhaltete. In Formularverträgen steht dem jedoch seit der Schuldrechtsreform das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entgegen, das die weitest mögliche Aufrechterhaltung einer teilweise unzulässigen Klausel gerade verhindern soll.
Rz. 294
Anrechnungsregelungen, die über die gesetzlich vorgesehenen Anrechnungsmöglichkeiten hinausgehen, sind daher nur zulässig, wenn sie ausdrücklich auf den vertraglichen Zusatzurlaub beschränkt sind. Nicht zu beanstanden wäre es dementsprechend, allein für diejenigen Urlaubstage, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen, eine Anrechnung von Krankheitszeiten zu vereinbaren. In der praktischen Umsetzung sollte dann jedoch spätestens bei der Gewährung des Urlaubs erkennbar sein, ob es sich um den gesetzlichen oder den vertraglichen Urlaub handelt; fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung, wird mit der Urlaubsgewährung zunächst der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch erfüllt. Soweit die Anrechnung auch unabhängig von einer Anrechnungserklärung des Arbeitgebers erfolgt und insoweit von dessen Einfluss unabhängig ist, liegt auch ein unzulässiger Anrechnungsvorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB nicht vor.