Rz. 921

Ungleich größer sind die Möglichkeiten für die Vereinbarung von Gerichtsstandsklauseln in den normativen Teilen von Tarifverträgen. § 48 Abs. 2 ArbGG gestattet es den Tarifvertragsparteien, in bestimmten Fällen die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts festzulegen. In Betracht kommt dies für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis und aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, das sich nach einem Tarifvertrag bestimmt. Weiter besteht diese Möglichkeit für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Arbeitnehmern oder Arbeitgebern.

Von solchen tarifvertraglichen Vereinbarungen umfasst sind vor allem Kündigungsschutzprozesse.[2069]

 

Rz. 922

Eine tarifvertragliche Prorogation findet freilich nur Anwendung, wenn beide Arbeitsvertragsparteien nach § 3 TVG tarifgebunden sind, der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde (§ 5 TVG) oder eine einzelvertragliche Inbezugnahme erfolgt ist, vgl. § 48 Abs. 2 S. 2 ArbGG.[2070] Eine einzelvertragliche Inbezugnahme kommt indessen nur im Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags in Betracht. Der Tarifvertrag müsste also in räumlicher, fachlicher und persönlicher Hinsicht zur Anwendung gelangen. Zudem muss der gesamte Tarifvertrag in Bezug genommen sein. Nicht möglich ist folglich eine beschränkte Bezugnahme auf die tarifliche Prorogation.[2071]

 

Rz. 923

Besteht im Falle einer tarifvertraglichen ausschließlichen Prorogation beiderseitige Tarifbindung bzw. Allgemeinverbindlichkeitserklärung, scheidet eine Vereinbarung über den Gerichtsstand auf einzelvertraglicher Ebene aus. Es ist den Parteien in solchen Fällen nicht einmal möglich, den eigentlichen gesetzlichen Gerichtsstand zu wählen.[2072]

[2069] Moll/Boewer, § 48 Rn 25; zum Streitstand, ob § 48 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ArbGG den Tarifvertragsparteien überhaupt die Kompetenz einräumt, auch für Bestandsstreitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG einen Gerichtsstand zu bestimmen vgl. ArbG Kiel 10.12.2009 – 1 Ca 2203d/09, juris, einerseits sowie ArbG Limburg 21.04.2008 – 1 Ca 194/06 andererseits, juris.
[2070] ErfK/Koch, § 48 ArbGG Rn 23; Preis/Lindemann, Arbeitsvertrag, II G 20 Rn 8 f.; Moll/Boewer, § 48 Rn 25; Moll/Ulrich, § 77 Rn 230.
[2071] Germelmann u.a./Germelmann/Künzl, § 48 ArbGG Rn 140; ErfK/Koch, § 48 ArbGG Rn 23; Moll/Ulrich, § 77 Rn 231; Preis/­Lindemann, Arbeitsvertrag, II G 20 Rn 9.
[2072] LAG Düsseldorf 2.5.1967 – 8 Sa 64/67, AP Nr. 18 zu § 1 TVG; Preis/Lindemann, Arbeitsvertrag, II G 20 Rn 10.

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