Rz. 926
Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Angehörigen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union galt seit dem 1.3.2002 die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 ("Brüssel I").[2073] Das EuGVÜ findet seither nur noch im Verhältnis zu den ihm beigetretenen Nicht-EU-Staaten Anwendung, wobei die hier relevanten Vorschriften nahezu identisch mit den jeweiligen Vorschriften der VO (EG) 44/2001 sind.[2074] Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 wurde zum 10.1.2015 durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia) abgelöst.[2075] Die Bestimmungen der Art. 18 ff. (EG) Nr. 44/2001 hinsichtlich der Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge sind nun in Art. 20 ff (EU) 1215/12 untergebracht.
Rz. 927
Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 regelt im Grundsatz Fragen der internationalen Zuständigkeit.[2076] So schreibt etwa Art. 22 zugunsten des Arbeitnehmers fest, dass Klagen eines Arbeitgebers nur vor Gerichten des Mitgliedsstaates erhoben werden können, in dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat.[2077] Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber wiederum nach Art. 21 der Verordnung vor den Gerichten des Mitgliedsstaats verklagen, in dem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat, oder in einem anderen Mitgliedsstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat,[2078] oder wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand. Eine Widerklage kann nach Art. 22 Abs. 2 der Verordnung dann an dem Gericht erhoben werden, an dem der Arbeitnehmer selbst geklagt hatte.
Rz. 928
Gleichwohl eröffnet Art. 23 der Verordnung in engen Grenzen Möglichkeiten zur Vereinbarung eines bestimmten Gerichtsstands in einem Mitgliedstaat.[2079] Demnach kann eine abweichende Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen werden oder aber, wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere Gerichte anzurufen. Prorogierte Gerichtsstände können in letzterem Falle also nur dem Arbeitnehmer einen zusätzlichen Gerichtsstand verschaffen. Der Arbeitgeber hat von einer solchen Vereinbarung nicht viel.
Rz. 929
Möchten die Arbeitsvertragsparteien dennoch von der Möglichkeit nach Art. 23 der Verordnung Gebrauch machen, setzt dies voraus, dass der Arbeitsvertrag Auslandsbezug hat und wenigstens eine Partei einen (Wohn-)Sitz oder eine Niederlassung in einem EU-Mitgliedstaat hat. Es kommt nicht nur die Vereinbarung eines Gerichts eines Mitgliedstaates, sondern auch von Gerichten außerhalb der Union (Drittstaaten) in Betracht, solange die Zuständigkeiten nach der Verordnung lediglich erweitert werden.[2080] Die Vereinbarung muss im Übrigen nach Art. 25 Abs. 1 S. 3 lit. a) der Verordnung schriftlich getroffen oder nach mündlicher Vereinbarung schriftlich bestätigt werden. Ein Schriftformerfordernis nach § 126 Abs. 2 BGB besteht indes nicht.[2081] Vielmehr eröffnet Art. 25 Abs. 2 der Verordnung sogar die Möglichkeit zur Verwendung solcher Kommunikationsmittel, die keine handschriftliche Unterzeichnung gestatten.[2082]
Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen