Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 476
Bei einer im Ausland auftretenden Arbeitsunfähigkeit ergeben sich aus § 5 Abs. 2 EFZG modifizierte Pflichten. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer sowie auch die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Das sind in der Regel E-Mail, Telefon oder Telefax. Nach den gesetzlichen Bestimmungen hat der Arbeitgeber die Kosten der Nachrichtenübermittlung zu übernehmen, es besteht also ein Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers. Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer, wenn er gesetzlich versichert ist, auch seine Krankenkasse über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informieren.
Kehrt der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ins Inland zurück, hat er die Rückkehr dem Arbeitgeber und der Krankenkasse mitzuteilen, § 5 Abs. 2 S. 7 EFZG. Diese Mitteilungspflicht betreffend die Rückkehr besteht unabhängig davon, ob die Arbeitsunfähigkeit andauert oder nicht. Gegenüber dem Arbeitgeber wird die Pflicht regelmäßig dadurch erfüllt, dass der Arbeitnehmer sich zur Arbeitsaufnahme meldet. Nur wenn er noch andauernden, vom Arbeitgeber gewährten Urlaub hat oder ein anderer Tatbestand vorliegt, der den AN von der Arbeitspflicht befreit, muss er eine gesonderte Rückkehrmeldung abgeben.
Rz. 477
Das Gesetz normiert keine besonderen Nachweispflichten bei einer Erkrankung im Ausland; somit finden die für die Erkrankung im Inland geltenden Vorschriften Anwendung. Der Arbeitnehmer kann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Originalfassung überreichen, die regelmäßig in der Landessprache ausgestellt sein dürfte; für eine ggf. notwendige Übersetzung hat er nicht zu sorgen. Somit ist der Arbeitgeber gehalten, sich selbst eine Übersetzung anzufertigen.
§ 5 Abs. 2 S. 5 EFZG gestattet die Einführung und Durchführung eines vereinfachten Verfahrens bei Anzeige und Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit im Ausland für den gesetzlich Versicherten, sofern es sich bei dem ausländischen Staat um ein Mitglied der EU oder um einen Staat handelt, mit denen ein Sozialversicherungsabkommen besteht. Wenn der Arbeitnehmer das in Art. 18 der VO 574/72/EWG bzw. in den Merkblättern der Krankenversicherungen näher beschriebene Verfahren über Meldung, Nachweis und Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit befolgt, so ist den gesetzlichen Nachweispflichten Genüge getan.
Rz. 478
Früher wurde uneingeschränkt davon ausgegangen, dass im Ausland erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen denselben Beweiswert haben wie Bescheinigungen der in Deutschland tätigen Ärzte. Danach hatte der Arbeitgeber die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit im Regelfall hinzunehmen, konnte dem Entgeltfortzahlungsverlangen aber auch alle Tatsachen entgegenhalten, die er bei einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Inland hätte vorbringen können, insbesondere die Tatsache, dass der im Ausland die Arbeitsunfähigkeit bescheinigende Arzt eine Unterscheidung zwischen Arbeitsunfähigkeit und Krankheit nicht beachtet habe. War die tatsächliche Vermutung auf diese Weise erschüttert, musste der Arbeitnehmer weitere Tatsachen darlegen und ggf. beweisen.
Rz. 479
Der EuGH entschied mit seinem Urteil "Paletta I" auf Vorlage des Arbeitsgerichts Lörrach, dass die Entgeltfortzahlung eine Leistung im Sinne der VO (EWG) 1408/71 ("VO") sei. Demnach war der Arbeitgeber als der zuständige Träger in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohnorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gebunden, Art. 18 VO. Damit erfuhr die in den Ländern der EU ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine erhebliche Aufwertung, die zu einer Ungleichbehandlung von im EU-Ausland erkrankten Arbeitnehmern einerseits und im Inland oder sonstigen Ausland erkrankten Arbeitnehmern anderseits führte.
Rz. 480
In der Paletta II-Entscheidung korrigierte der EuGH die vorherige Entscheidung nur geringfügig: dem Arbeitgeber verbleibe die Möglichkeit, nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer missbräuchlich oder betrügerisch eine gem. Art. 18 VO festgestellte Arbeitsunfähigkeit gemeldet habe, ohne krank gewesen zu sein. Dagegen sei es nicht mit Art. 18 VO vereinbar, wenn der Arbeitnehmer zusätzlichen Beweis für die durch ärztliche Bescheinigung belegte Arbeitsunfähigkeit erbringen müsse, wenn der Arbeitgeber Umstände darlege und beweise, die zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit Anlass geben. Dies hätte für den Arbeitnehmer, der in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat arbeitsunfähig geworden ist, Beweisschwierigkeiten zur Folge, die das Gemeinschaftsrecht gerade vermeiden wolle.
Die Entscheidung ist unbefriedigend. Das gilt insbesondere wegen der unterschiedlichen Möglichkeiten, den Beweiswert von inländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und solchen aus der EU zu erschüttern.
Rz. 481
An den Nachweis der betrügerischen oder rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme von E...