Rz. 396

Es kann einen bei der Vertragsgestaltung zu beachtenden Zusammenhang zwischen Versetzungsklausel und dem Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen geben. Dies betrifft in erster Linie die Sozialauswahl.

 

Rz. 397

Die Sozialauswahl erfolgt bekanntlich betriebsbezogen. Dabei erfasst der Betriebsbegriff des Kündigungsrechts auch unselbstständige entfernte Betriebsteile.[939] Kann der Arbeitgeber kraft Direktionsrechts einen Arbeitnehmer auch an andere Betriebe versetzen, so wirkt sich das nicht auf den Kündigungsschutz aus. Denn auch bei einer Versetzungsbefugnis hinsichtlich anderer Betriebe im kündigungsrechtlichen Sinne wird die Sozialauswahl nicht auf diese erweitert.[940]

 

Rz. 398

Einfluss auf den Kündigungsschutz kann es aber bei einer eindeutigen vertraglichen Festlegung des Arbeitsorts geben. Denn dann darf der Arbeitnehmer nicht einseitig an einen anderen Ort versetzt werden, auch wenn es dort einen Betriebsteil gibt, der im Sinne des KSchG noch dem Betrieb zuzuordnen ist. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht:

 

Rz. 399

Der Arbeitsvertrag legt als Arbeitsort ausdrücklich Frankfurt am Main fest, ein Versetzungsvorbehalt ist nicht vorhanden. Das Unternehmen hat aber noch einen (unselbstständigen) Betriebsteil in Düsseldorf. Kündigungsrechtlich ist das ein Betrieb, denn § 4 BetrVG gilt nur für das Betriebsverfassungsrecht (siehe oben Rdn 397). In der Sozialauswahl kann der Arbeitnehmer aber nicht mit vergleichbaren Arbeitnehmern in Düsseldorf verglichen werden, weil er dorthin nicht einseitig versetzt werden kann. Bei diesem Arbeitnehmer ist also die Sozialauswahl auf vergleichbare Arbeitnehmer am Standort Frankfurt beschränkt.

 

Rz. 400

Das bedeutet: Die ausdrückliche Festlegung eines Arbeitsortes im Arbeitsvertrag kann bei betriebsbedingten Kündigungen die Sozialauswahl erleichtern.[941]

 

Rz. 401

Lässt der Arbeitsvertrag eine örtliche Versetzung ins Ausland und zu Betrieben von Konzernunternehmen zu (= Erweiterung des Direktionsrechts), so kann auch dies zu einem weitergehenden Schutz des Arbeitnehmers vor betriebsbedingten Kündigungen führen. Denn dann müssen möglicherweise nicht nur etwaige freie Ersatzarbeitsplätze in Deutschland, sondern auch solche im Ausland und Konzernunternehmen berücksichtigt werden, ehe betriebsbedingt gekündigt werden kann.[942] Auch dieser Zusammenhang sollte bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden.

[939] Der kündigungsrechtliche Betriebsbegriff weicht vom betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff ab. Weit entfernte, nicht selbstständig geleitete Betriebsteile werden im Kündigungsrecht dem Hauptbetrieb zugeordnet, vgl. BAG 3.6.2004 – 2 AZR 577/03, NZA 2005, 175.
[940] BAG 2.6.2005 – 2 AZR 158/04, NZA 2005, 1175; BAG 15.12.2005 – 6 AZR 199/05, NZA 2006, 590; Dzida/Schramm, BB 2007, 1221, 1225 f.; Gaul/Bonanni, NZA 2006, 289, 291.
[941] Vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BAG 3.6.2004 – 2 AZR 577/03, NZA 2005, 175; LAG Frankfurt 31.10.2008 – 10 Sa 2096/06, BB 2009, 1142; Dzida/Schramm, BB 2007, 1221, 1226; Gaul/Bonanni, NZA 2006, 289, 290 f.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?