Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
Rz. 324
Problematisch ist zunächst, ob geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrages ausgeschlossen werden können. Anders als den Arbeitsvertrags- oder Betriebsparteien steht den Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Regelung eine Einschätzungsprärogative zu.
Die Rechtsprechung des BAG zur Befugnis der Tarifvertragsparteien, geringfügig Beschäftigte aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrages auszuschließen, ist nicht eindeutig.
Der 4. Senat des BAG hat zunächst entschieden, dass es den Tarifvertragsparteien freisteht, den persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages bis zur Grenze der Willkür frei festzulegen. Dies soll die Tarifvertragsparteien jedoch nicht berechtigen, Teilzeitbeschäftigte gänzlich aus dem Anwendungsbereich des Tarifvertrages auszuschließen. Das BAG argumentiert, dass es in der ersten Entscheidung nicht um die Ausgrenzung einer Arbeitnehmergruppe (nämlich Werksstudenten) wegen ihrer Arbeitszeit ging. Mangels einfachgesetzlicher Grundlage sei dieser Ausschluss nur an Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 3 GG zu messen gewesen. Davon unterscheide sich der Fall der Ausgrenzung von Teilzeitbeschäftigten. Insoweit sei ein einfach gesetzliches Diskriminierungsverbot betroffen. Es gehe um die Frage, inwieweit die Tarifvertragsparteien trotz § 6 BeschFG a.F. – jetzt § 4 Abs. 1 TzBfG – an das Diskriminierungsverbot wegen Teilzeit gebunden seien. Eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liege aber vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium ist, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft. Davon ausgehend wäre auf den ersten Blick im Hinblick auf § 2 Abs. 2 TzBfG zu schließen, dass eine Ausgrenzung von geringfügig Beschäftigten aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrages wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG unwirksam wäre. Dies wäre jedoch zu kurz gegriffen. Die gesetzliche Regelung des § 2 Abs. 2 TzBfG stammt aus einer Zeit, in der die geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV noch an eine Höchstarbeitszeit von 15 Stunden pro Woche gekoppelt war (siehe oben Rdn 323). Diese Bezugnahme auf die Arbeitszeit ist in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV im Jahre 2004 gestrichen worden. Geringfügige Beschäftigung definiert sich damit ausschließlich über die Höhe des Entgelts. Wie wohl geringfügige Beschäftigung in der Praxis regelmäßig in Form von Teilzeit erbracht wird, ist schon fraglich, inwieweit die seinerzeitige "Klarstellung" danach heute noch trägt. Eine Ausgrenzung von geringfügig Beschäftigten aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrages orientiert sich jedenfalls nicht mehr an der Dauer der Arbeitszeit, sondern an der Höhe der Vergütung. Eine Ungleichbehandlung, die an die Höhe der Vergütung anknüpft, ist jedoch spezialgesetzlich nicht geregelt. Es bleibt daher dabei, dass auf Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 3 GG zurückgegriffen werden muss, so dass die Rechtsprechung des BAG aus dem Jahre 2000 für die in Rede stehende Rechtsfrage maßgeblich sein dürfte.