Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
Rz. 244
Ist eine objektive Schlechterbehandlung des Teilzeitarbeitnehmers im Verhältnis zu einem vergleichbaren Vollzeitarbeitnehmer festgestellt, ist zu prüfen, ob die Schlechterbehandlung "wegen" Teilzeitarbeit erfolgt. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer Teilzeitarbeit leistet, muss somit kausal für die Schlechterbehandlung sein. Die Ungleichbehandlung muss an dem Kriterium "Dauer der Arbeitszeit" anknüpfen. Ausreichend ist, wenn die Teilzeittätigkeit einer von mehreren tragenden Gründen für die Schlechterbehandlung ist.
Ob eine Schlechterbehandlung "wegen" Teilzeit erfolgt, ist in der Praxis nicht immer einfach festzustellen. Es ist zunächst zu klären, an welche Voraussetzungen eine Leistung oder Maßnahme anknüpft oder worauf eine bestimmte Anordnung oder Regelung des Arbeitgebers beruht. Dann ist festzustellen, ob ein maßgeblicher Grund für die Ungleichbehandlung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers mit einem vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer die Dauer seiner Arbeitszeit ist. Nur wenn das der Fall ist, kann § 4 Abs. 1 TzBfG zur Anwendung kommen. Das Diskriminierungsverbot ist jedoch dann nicht einschlägig, wenn tragende Gründe für die Ungleichbehandlung andere als die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit sind. Das ist z.B. bei der Vergütung von Überstunden und der Gewährung von Jubiläumszuwendungen zu beachten.
Rz. 245
Beispiele
1. |
Arbeitnehmer A bei der X-GmbH wird mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Die tarifliche Arbeitszeit für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer beträgt 35 Stunden. Im Mai ordnet die X-GmbH an, dass A 35 Stunden pro Woche zur Vorbereitung des Jahresabschlusses arbeitet. A verlangt für die 15 mehr gearbeiteten Stunden pro Woche den tariflichen Überstundenzuschlag. |
2. |
Die Betriebsvereinbarung über Bereitschaftsdienst sieht vor, dass Arbeitnehmer im Falle der Inanspruchnahme für den Bereitschaftsdienst für alle Zeiten, die über die tarifliche Regelarbeitszeit von 35 Stunden hinausgehen, einen gestaffelten Zuschlag von 25 bis 100 % erhalten. Auch der Teilzeitbeschäftigte A leistet Bereitschaftsdienst. Wird er hierzu herangezogen, überschreitet er die 35-Stunden-Grenze jedoch regelmäßig nicht. A verlangt den Zuschlag für den Bereitschaftsdienst. |
Rz. 246
Die Nichtgewährung von Überstunden- oder Bereitschaftsdienstzulagen an Teilzeitkräfte, die die wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitkräften auch bei Inanspruchnahme für Überstunden oder Bereitschaftsdienst nicht überschreiten, stellt nach der Rechtsprechung nicht per se eine Benachteiligung wegen der Teilzeitarbeit dar. Es ist darauf abzustellen, welchen Zweck die tarifliche oder arbeitsvertragliche Regelung mit dem Überstundenzuschlag verfolgt. Dabei kommt es nicht auf den denkbaren, sondern den konkret feststellbaren Zweck an. Soll z.B. die Einbuße der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit belohnt werden, erhält auch der Teilzeitbeschäftigte ab der ersten Überstunde den Zuschlag. Soll dagegen generell eine Belastung oberhalb der Vollzeitbeschäftigung honoriert werden, erhalten Teilzeitbeschäftigte den Überstundenzuschlag erst und nur dann, wenn die Arbeitszeit zuzüglich der Überstunden die Dauer der betrieblichen Vollzeitarbeit überschreitet.
Rz. 247
Beispiel
Die Betriebsvereinbarung sieht vor, dass Arbeitnehmer nach 10jähriger Betriebszugehörigkeit 1.000 EUR, nach 20jähriger Betriebszugehörigkeit 2.000 EUR, nach 25jähriger Betriebszugehörigkeit 5.000 EUR Jubiläumszuwendung von der X-GmbH erhalten. Zum Zeitpunkt der Auszahlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer sollen diese die Jubiläumszuwendungen nur anteilig im Hinblick auf die im Verhältnis zur betriebsüblichen Arbeitszeit geleisteten Stunden erhalten.
Rz. 248
Die Regelung in der Betriebsvereinbarung entspricht auf den ersten Blick § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG, da die Leistung pro-rata-temporis erfolgt. Sie verstößt aber zumindest dann gegen das Diskriminierungsverbot, wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit eine höhere Arbeitszeit geleistet hat, als dies zum Zeitpunkt der Zahlung der Fall ist, insbesondere zuvor in Vollzeit gearbeitet hat. Das BAG stellt darauf ab, dass die Betriebstreue des Teilzeitbeschäftigten Anknüpfungspunkt für die Zahlung ist. Sie findet bei einer auf die aktuelle Arbeitszeit abstellende Bemessung der Jubiläumszuwendung keine hinreichende Berücksichtigung. Etwas anderes soll dann gelten, wenn die im gesamten Arbeitsverhältnis geleistete Arbeitszeit berücksichtigt und zur Arbeitszeit eines ständig Vollzeitbeschäftigten ins Verhältnis gesetzt wird.
Rz. 249
Beispiel
Die X-GmbH übernimmt Tiefbauarbeiten. Sie gewährt Arbeitnehmern in den Sommermonaten von Juni bis August eine bezahlte Pause von 15 Minuten am Nachmittag zwischen 14.45 Uhr und 15.00 Uhr, um die Arbeitsbelastung bei hohen Temperaturen zu mildern. Teilzeitarbeitnehmer A arbeitet nur bis 13.00 Uhr. Er fordert ebenfalls eine bezahlte Pause von 15 Minuten.
Rz. 250
Die Nichtgewährung der Pause an den A ist keine Schlechterbehandl...