Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 732
§ 5 Abs. 1 regelt das Recht und die Pflicht des Chefarztes zur Delegation der ihm nach dem Chefarztvertrag obliegenden Aufgaben, insbesondere der ärztlichen Aufgaben auf nachgeordnete ärztliche Mitarbeiter. Bei der Aufgabenübertragung hat der Chefarzt zum einen Sorge zu tragen, dass die ihm zur ärztlichen Ausbildung zugewiesenen Mitarbeiter ordnungsgemäß ausgebildet werden, insbesondere in die Lage versetzt werden, während der Ausbildungszeit die Anforderungskataloge der jeweiligen ärztlichen Weiterbildungsordnungen für den Erwerb der entsprechenden Facharztbezeichnung zu erfüllen. Andererseits muss der Chefarzt Sorge tragen, dass die Delegation entsprechend dem Ausbildungs- und Kenntnisstand des Arztes erfolgt und eine ausreichende Überwachung sichergestellt ist, um zu vermeiden, dass aus einer Aufgabenübertragung an fachlich (noch) nicht geeignete ärztliche Mitarbeiter vermeidbare Patientenschädigungen resultieren, aus denen Arzthaftungsansprüche von Patienten unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens hergeleitet werden können. Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf den Bereich der sog. Anfängeroperationen zu legen.
Bei der – stationären oder ambulanten – Behandlung von Privatpatienten und Selbstzahlern sowie der vertragsärztlichen Tätigkeit aufgrund einer persönlichen Ermächtigung oder einer durchgangsärztlichen Tätigkeit gegenüber einem bei einem Arbeitsunfall verunfallten Patienten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung ist darüber hinaus auch im Falle der Delegation dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung und den hierdurch gezogenen Grenzen der Delegationsbefugnis Rechnung zu tragen. Dies bedeutet auch, dass der Chefarzt Leistungen, die nach dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung nicht delegierbar sind, sog. höchstpersönliche Leistungen, nicht auf nachgeordnete ärztliche Mitarbeiter delegieren darf. Die Übertragung dieser Aufgaben auf einen ständigen Vertreter ist gleichfalls nur in sehr engen Grenzen zulässig.
Die – zulässige – Delegation von ärztlichen Aufgaben durch den Chefarzt führt nicht dazu, dass der Chefarzt von seiner bestehenden Verantwortung für die medizinischen Abläufe bei der Führung der Abteilung frei wird. An die Stelle der Pflicht zum dem maßgeblichen Facharztstandard entsprechenden persönlichen Tätigwerden tritt in diesen Fällen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Koordination und Überwachung der eingesetzten Mitarbeiter. Dem hat der Chefarzt durch planvolle Organisation der Aus-, Fort- und Weiterbildung in seiner Abteilung, durch sachangemessene Personaleinsatzplanung und durch regelmäßige Kontrollen des Kenntnisstands und der Befähigung der ärztlichen Mitarbeiter seiner Abteilung im Einzelfall Rechnung zu tragen. Selbstverständlich kann er die Überwachungs- und Kontrollaufgaben seinerseits auf ihm nachgeordnete Oberärzte delegieren, die in derartigen Fällen ihrerseits durch den Chefarzt – in deutlich abgeschwächter Weise – zu überwachen sind. Dies wird durch § 5 Abs. 1 S. 2 des Vertragsmusters ausdrücklich klargestellt.
Rz. 733
§ 5 Abs. 2–4 des Mustervertrages regeln die in der arbeitsteiligen Medizin und aufgrund der Anforderungen eines Krankenhauses mit mehreren Abteilungen bestehende Abstimmungsnotwendigkeit zwischen den leitenden Ärzten und mit externen Kooperationspartnern außerhalb des Krankenhauses. § 5 Abs. 2 normiert eine entsprechende Kooperationsverpflichtung des Chefarztes. Eine besondere Ausprägung dieser Kooperationsverpflichtung wird in § 5 Abs. 3 für Chefärzte bettenführender Abteilungen dadurch begründet, dass sie verpflichtet werden, vorübergehend freie Betten ihrer Abteilung anderen leitenden Ärzten zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll bei vorübergehender Unterauslastung der Abteilung eine möglichst weitgehende Vollauslastung des Krankenhauses insgesamt und damit die Wirtschaftlichkeit des Krankenhausbetriebes sichergestellt werden. Die Regelung ist notwendig, um zu vermeiden, dass der Chefarzt geltend macht, dass die seiner Abteilung zugewiesenen Betten selbst dann nur durch Patienten seiner Abteilung belegt werden können, wenn die Abteilung nicht vollständig ausgelastet ist und die Betten daher vorübergehend nicht benötigt werden.
Zugleich wird die Kooperationsverpflichtung – soweit medizinisch vertretbar und rechtlich zulässig – auf den Kreis der im Krankenhaus tätigen und mit dem Krankenhaus kooperierenden Ärzte und sonstigen Leistungserbringer beschränkt. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen regelt § 5 Abs. 4 des Vertragsmusters eine entsprechende Beschränkung auch für die Inanspruchnahme von Personal, Geräten und Einrichtungen Dritter. Mit diesen Regelungen wird die Entscheidungsfreiheit in genuin medizinischen Angelegenheiten im Interesse der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch den Krankenhausträger eingeschränkt. Dies ist rechtlich zulässig, solange dem Chefarzt im Verhältnis zum Krankenhausträger im konkreten Behandlungsfall die Letztentscheidung hinsicht...