Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 444
Weiterhin bestehen geblieben ist die Steuerprivilegierung gem. §§ 24, 34 EStG. Nach § 34 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer für bestimmte außerordentliche Einkünfte, welche in § 34 Abs. 2 EStG aufgezählt sind, nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen. Diese außerordentlichen Einkünfte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie zusammengeballt in einem Kalenderjahr zufließen. Aufgrund der Anknüpfung der Besteuerung an den Zufluss der Einnahmen (sog. Zuflussprinzip) würden sie ohne die Sondervorschrift des § 34 EStG zusammen mit den laufenden Einkünften wegen des progressiv gestalteten Einkommensteuertarifs mit einem höheren Steuersatz belegt, als dies bei einem über mehrere Jahre verteilten Zufluss der Fall wäre. Um dies zu vermeiden, werden die außerordentlichen Einkünfte rechnerisch aus dem zu versteuernden Einkommen herausgenommen und ermäßigt besteuert (sog. Fünftelungsregelung). Aufgrund des Wachstumschancengesetzes gilt ab dem 1.1.2025 eine Änderung bei der Anwendung der Fünftelungsregel: Sie wird nicht mehr durch den Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug vorgenommen, sondern muss durch den Arbeitnehmer im Rahmen der Steuererklärung beantragt werden.
aa) Außerordentliche Einkünfte
Rz. 445
Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 EStG u.a. Entschädigungen i.S.v. § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Hierzu können auch Zahlungen anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zählen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie entweder als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1a EStG) oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit (§ 24 Nr. 1b EStG) gewährt werden. Der Unterschied zwischen diesen beiden Tatbeständen besteht darin, dass in der ersten Fallgruppe die Aufgabe oder Nichtausübung der Tätigkeit auf rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck des Arbeitgebers erfolgen und daher auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen muss; demgegenüber kann dies in der zweiten Fallgestaltung auch dem Willen des Arbeitnehmers entsprechen. In beiden Fällen ist jedoch erforderlich, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet wird. Ersatz für entgangene Einnahmen im Sinne von § 24 Nr. 1a EStG können z.B. Abfindungen sein, sofern der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat. Daneben kommt hier die Kapitalisierung von Versorgungsansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung in Betracht, wenn sie auf Veranlassung des Arbeitgebers vereinbart wird und die Leistung auf dieser neuen Rechtsgrundlage beruht. Als Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gemäß § 24 Nr. 1b EStG kommen ebenfalls eine Abfindung in Betracht, sofern sie für eine vom Willen des Arbeitnehmers getragene Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, sowie etwa eine Karenzentschädigung bei Vorliegen eines Wettbewerbsverbots.
bb) Zusammenballung
Rz. 446
Entschädigungen nach § 24 Nr. 1a und b EStG sind nur steuerbegünstigt, sofern es sich hierbei um außerordentliche Einkünfte handelt. Hierfür muss eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten. Daher muss die Zahlung grds. in einem Betrag erfolgen, wobei es aber ausreichen soll, dass die Entschädigung innerhalb eines Bemessungszeitraums in mehreren Teilbeträgen erfolgt, da auch dann die Progressionswirkung abzumildern ist. Bei der Prüfung der Zusammenballung ist eine aus Anlass der Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgehende Einnahmen gewährte Entschädigung einheitlich zu beurteilen, auch wenn sie sich in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht aus mehreren Teilen zusammensetzt; entscheidend ist der Zufluss innerhalb eines Kalenderjahres. Nicht tarifbegünstigt sind Entschädigungen, die dem Arbeitnehmer in zwei Kalenderjahren zufließen.
Rz. 447
Praxishinweis
In diesem Zusammenhang ist besondere Vorsicht bei einer Auszahlung der Abfindung in mehreren Raten geboten. Führt dies zu einem sukzessiven Zufluss über mehrere Kalenderjahre hinweg, entfällt die steuerliche Privilegierung der Abfindung.
Entsprechendes gilt, sofern in die Gestaltung von Abfindungsregelungen auch etwaige Sachleistungen (z.B. die fortgesetzte Zurverfügungstellung des Dienstwagens oder einer verbilligten Wohngelegenheit) einfließen. Kann der Arbeitnehmer über den Veranlagungszeitraum hinaus auf derartige Sachleistungen zugreifen, stellt dies einen geldwerten Vorteil dar, der die Zusammenballung der einheitlichen Abfindung und damit die Steuerbegünstigung insgesamt aufhebt.
Rz. 448
Ein Zufluss von Entschädigungen in mehreren Veranlagungszeiträumen ist nur dann unschädlich, wenn sie aufgrund von mehreren, gesonderte und unterschiedliche Zeiträume betreffenden Vereinbarungen gezahlt werd...