Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 121
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist zusätzlich erforderlich, dass die vorgeschlagenen Änderungen verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Damit darf vom Vertragsinhalt nur das weggenommen bzw. geändert werden, was notwendig ist, um den Vertrag an die geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Jede zusätzliche Änderung, sei sie aus Sicht des Arbeitgebers noch so belanglos, führt zur Sozialwidrigkeit der Kündigung insgesamt.
Rz. 122
Geeignet ist eine Änderung, wenn sie das vom Arbeitgeber vorgegebene Ziel erreichen kann. Hieran wird es in der Praxis selten scheitern, soweit die der Änderung zugrunde liegende Organisationsänderung vernünftig erscheint. Ungeeignet könnte hingegen die Maßnahme einer Entgeltabsenkung sein, wenn sie nicht ausreicht, um die wirtschaftliche Situation eines finanziell angeschlagenen Unternehmens zu verbessern.
Rz. 123
Erforderlich ist eine Änderung nur, wenn das vom Arbeitgeber angestrebte Ziel nicht auch mit einer den Arbeitnehmer weniger belastenden Maßnahme zu erreichen ist. Hier müssen Alternativen erwogen und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Arbeitnehmer bewertet werden. Dabei sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Auswirkungen zu berücksichtigen. Als unverhältnismäßig sieht die Rechtsprechung daher regelmäßig sog. überflüssige Änderungskündigungen an, in denen der Arbeitgeber die beabsichtigte Änderung schon dadurch herbeiführen könnte, dass er sein Direktionsrecht nach § 106 GewO ausübt oder ein Leistungsbestimmungsrecht in Anspruch nimmt, etwa einen Änderungsvorbehalt (z.B. eine Versetzungsklausel) oder einen Widerrufsvorbehalt (z.B. hinsichtlich vertraglich vereinbarter Entgeltbestandteile), wobei es nicht darauf ankommt, ob er das ihm zustehende Recht tatsächlich bereits (wirksam) ausgeübt hat. In Zweifelsfällen ist dem Arbeitgeber insofern zu raten, ein etwaiges einseitiges Gestaltungsrecht auszuüben und vorsorglich eine Änderungskündigung zu erklären.
Rz. 124
Für die Beurteilung, ob die angestrebte Änderung dem Arbeitnehmer zumutbar ist, sind schließlich die beim Arbeitgeber zu erwartenden Vorteile mit den beim Arbeitnehmer eintretenden Nachteilen ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es ist jeweils eine einzelfallbezogene Bewertung anzustellen. Besonders problematisch ist die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bei Maßnahmen, die die Beschäftigungssituation des Arbeitnehmers erheblich verschlechtern. Wenn etwa eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nur noch an anderen Orten in Betracht kommt, und mehrere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen, kann die Einschätzung, welche für den Arbeitnehmer die günstigste ist, problematisch sein. Bei einer Betriebsverlagerung kann sich eine Unzumutbarkeit für den Arbeitnehmer z.B. daraus ergeben, dass er innerhalb Deutschlands umziehen oder ins Ausland gehen muss. Auch Änderungen in zeitlicher Hinsicht können unangemessen sein, wenn bei einer Verkürzung der Arbeitszeit die verbleibende Arbeitszeit zu gering ist oder wenn die künftige Arbeitszeit teilweise vom Bedarf des Arbeitgebers abhängig gemacht wird. Eine Befristung im Wege der Änderungskündigung kann unzumutbar sein, da dem Arbeitnehmer dadurch für die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit der ordentlichen Eigenkündigung genommen wird. Bei sonstigen Organisationsänderungen, insbesondere der Zuweisung anderer Tätigkeiten, kann sich die Unangemessenheit daraus ergeben, dass die Qualität der neuen Tätigkeit zur Qualifikation des Arbeitnehmers in einem solchen Widerspruch steht, dass ihre Zuweisung gegen Treu und Glauben verstößt, oder dass mit der neuen Tätigkeit ein unterproportional geringer Lohn verbunden ist. Eine gesonderte Rechtfertigung der Vergütungsänderung ist hingegen entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt.