Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 374
Je nach Art des Arbeitsverhältnisses bietet es sich an, den Arbeitnehmer für die Restlaufzeit des Arbeitsvertrages von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen. Eine Freistellung kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn der Arbeitgeber aufgrund betriebsbedingter oder verhaltensbedingter Hintergründe auf die weitere Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verzichten möchte. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber vermeiden will, dass dem Arbeitnehmer (weitere) Geschäftsgeheimnisse zur Kenntnis gelangen, die er an etwaige Folgearbeitgeber weitergeben oder dort nutzen könnte, oder er z.B. fürchtet, dass der Arbeitnehmer Unruhe in die Belegschaft trägt.
Rz. 375
Besonderes Augenmerk ist auf die Gewährung noch ausstehenden Urlaubs zu legen, um die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs am Ende des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers kann dadurch erfüllt werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch von der Arbeit freistellt. Die zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muss dabei hinreichend deutlich erkennen lassen, dass durch die zeitliche Festlegung der Arbeitsbefreiung Urlaub gewährt wird (§ 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BUrlG). Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers z.B. zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme verzichten will (§ 615 BGB).
Rz. 376
Soll im Zuge der Freistellung zugleich der dem Arbeitnehmer noch zustehende Urlaub gewährt werden, ist auf Folgendes zu achten: Durch eine lediglich widerrufliche Freistellung wird der Urlaubsanspruch nicht erfüllt. Die Erfüllung von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitgeber setzt vielmehr eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht voraus. Nur dann ist es dem Arbeitnehmer möglich, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt zu nutzen. Er muss dann nicht mehr damit rechnen, während der Freistellung zur Arbeit gerufen zu werden. Beide Freistellungsformen können auch dahingehend kombiniert werden, dass zunächst eine unwiderrufliche Freistellung zum Zwecke der Urlaubsgewährung und dann anschließend eine widerrufliche Freistellung (oder umgekehrt) erfolgt.
Rz. 377
Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf den Urlaub von der Arbeitsleistung frei, liegt hierin i.d.R. eine unwiderrufliche Freistellung, auch wenn die Unwiderruflichkeit nicht explizit zum Ausdruck kommt. Es bedarf hierzu keiner konkreten Bestimmung von Beginn und Ende des Urlaubs. Wenn der Arbeitgeber die genaue zeitliche Lage des Urlaubs und die Zahl der Urlaubstage nicht festlegt, kann der Arbeitnehmer daraus regelmäßig entnehmen, dass der Arbeitgeber ihm entweder die gesamte Zeit der Kündigungsfrist als Urlaub gewährt; oder der Arbeitgeber überlässt es ihm zumindest, die zeitliche Lage der ihm zustehenden Urlaubstage innerhalb des vorbehaltlos gewährten Freistellungszeitraums zu bestimmen. In beiden Fällen ist für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar, dass er während der restlichen Dauer seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr damit rechnen muss, eine Arbeitsleistung erbringen zu müssen. Eine genaue Festlegung des Urlaubszeitraums kann aber zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs notwendig sein, wenn der Arbeitgeber mit der Freistellung zugleich die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 S. 2 BGB erklärt. Bei jahresübergreifender Kündigungsfrist kann die Freistellung zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs auch im Vorgriff auf das Urlaubsjahr abgegeben werden. Erforderlich ist dann jedoch eine eindeutige Erklärung, aus der der Arbeitnehmer entnehmen kann, ob sein Anspruch auf den gekürzten oder den ungekürzten Vollurlaub erfüllt werden soll. Es ist dann sinnvoll, in der Freistellungserklärung ausdrücklich zu erklären, dass auch der volle Urlaubsanspruch für das Jahr der Vertragsbeendigung erfüllt werden soll.
Rz. 378
Verabreden die Parteien allerdings eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, ohne dass eine Anrechnung auf Urlaubsansprüche vereinbart wird, ist der Urlaubsanspruch regelmäßig noch nicht erfüllt. In diesem Fall wird der Arbeitgeber die Urlaubsgewährung auch nicht nachträglich in den Freistellungszeitraum legen können, da aufgrund der bereits bestehenden unwiderruflichen Freistellung eine Befreiung von der Arbeitspflicht zu Urlaubszwecken nicht mehr möglich ist. Unterlässt es der Arbeitgeber, im Aufhebungsvertrag bei einer unwiderruflichen Freistellung unter Anrechnung offener Urlaubsansprüche den Urlaubszeitraum ausdrücklich festzulegen, ist durch Auslegung zu e...