Urlaubsabgeltung bei Krankheit vor Freistellung

Wenn ein Arbeitnehmer in seinem Urlaub krank wird und diesen nicht nachholen kann, weil er im Anschluss im Rahmen einer Altersteilzeit freigestellt ist, darf das kein Nachteil für ihn sein. Das hat der EuGH klargestellt. Anlass war eine Vorlage des BAG.

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Mindestjahresurlaub von 4 Wochen ist als tragender Grundsatz des Sozialrechts der Union von besonderer Bedeutung. In einem aktuellen Fall hat das Bundesarbeitsgericht den Europäischen Gerichtshof gefragt, ob Urlaubstage, die ein Arbeitnehmer während einer Altersteilzeit erworben hat, aber während der darauffolgenden Freistellungsphase nicht mehr nehmen konnte, verfallen dürfen. Der EuGH hält dies für unionsrechtswidrig und hat auf den finanziellen Aspekt, den der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auch habe, verwiesen.

Der Fall: Urlaubsabgeltung wegen Freistellung

Der Arbeitnehmer in diesem Verfahren war seit 1986 im Betrieb der Bayrischen Motorenwerke (BMW) beschäftigt. 2012 traf er mit dem Arbeitgeber eine Absprache zur Altersteilzeit. Danach stand fest, dass er noch bis 2016 arbeiten würde und ab dem 1. Juni 2016 bis zum Beginn seiner Rente 2019 freigestellt würde. Seinen Resturlaub nahm er kurz vorher in der Zeit vom 4. bis 25. Mai 2016. Während dieser Zeit wurde er krank. Diese 2 2/3 Urlaubstage konnte er bis Ende Mai 2016 nicht mehr nehmen. Danach begann seine unwiderrufliche Freistellung. 2019 forderte der Arbeitnehmer dann die Abgeltung der Urlaubstage vom Arbeitgeber.

Seine Klage hatte vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2016 sei mit dem 31. März 2017 erloschen, so die Begründung des Gerichts. Dass der Arbeitgeber nicht darauf hingewirkt habe, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nimmt, sei in dem Fall unerheblich, da dies wegen der Freistellung ab dem 1. Juni 2016 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30.September 2019 unmöglich geworden sei. Auch die Berufung vor dem LAG war erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht legte die Sache nun dem EuGH vor, da es Bedenken hatte, ob die Regelung des § 7 Abs. 4 UrlG zur Urlaubsabgeltung möglicherweise Unionsrecht widerspricht.

EuGH: Arbeitnehmer hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung

Der EuGH hat in seinem Urteil entschieden, dass die nationale Regelung, nach der der Urlaub verfallen würde, Unionsrecht widerspricht. Nach Ansicht der Luxemburger Richter hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung der Urlaubstage. Die Umstände im vorliegenden Verfahren rechtfertigten nicht, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt. In seiner Begründung verwies der Gerichtshof auf die Unterschiede zu seiner Rechtsprechung in Bezug auf Urlaub und längere Krankheit eines Arbeitnehmenden.

Finanzieller Aspekt des Urlaubs ist durchaus relevant

Es habe sich erstens nur um eine sehr kurze krankheitsbedingte Abwesenheit gehandelt, zweitens sei die Freistellung durch den Arbeitgeber, nicht eine längere krankheitsbedingte Abwesenheit des Arbeitnehmers, der Grund dafür, dass es dem Arbeitnehmer unmöglich geworden sei, den erworbenen Urlaub vollständig zu nehmen. Drittens hätte der Arbeitgeber das Risiko verhindern können, indem er den Arbeitnehmer rechtzeitig darauf hingewiesen hätte, den Urlaub rechtzeitig vor der Freistellung  zu nehmen. Zuletzt beinhalte der EU-rechtlich verbriefte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zwei Aspekte, machte der EuGH deutlich: zum einen den Anspruch auf Erholung, zum anderen auch auf Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.


Hinweis: EuGH, Urteil vom 27. April 2023 in der Rechtssache C‑192/22


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Schlagworte zum Thema:  Urteil, Urlaub, Freistellung, EuGH