Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 76
§ 1a KSchG regelt einen gesetzlichen Abfindungsanspruch für den Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung (§ 623 BGB), die auf betriebliche Gründe gestützt wird und bestimmten formellen Anforderungen genügt, sofern der Arbeitnehmer hiergegen keine Kündigungsschutzklage erhebt. Mit dieser Regelung sollte eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess geschaffen werden.
Rz. 77
§ 1a KSchG regelt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Abfindungsleistung, wenn der gekündigte Arbeitnehmer die – bestimmten Anforderungen gerecht werdende – arbeitgeberseitige Kündigung bestandskräftig werden lässt. Nach überwiegender Literaturauffassung muss es sich dabei um eine ordentliche Kündigung handeln. § 1a KSchG gilt ferner für (betriebsbedingte ordentliche) Änderungskündigungen, wenn die Abfindung für den Fall versprochen wird, dass der Arbeitnehmer das Angebot vorbehaltlos ablehnt und es deshalb um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht. Auf außerordentliche Kündigungen ist § 1a KSchG nicht anwendbar, vgl. § 13 Abs. 1 KSchG.
Rz. 78
Der Arbeitgeber muss das Arbeitsverhältnis explizit unter Berufung auf betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG kündigen. Die Kündigung muss im Kündigungsschreiben also als betriebsbedingt bezeichnet werden. Das bedeutet nicht, dass der Kündigung tatsächlich eine betriebsbedingte Begründung zugrunde liegen muss.
Rz. 79
In der Kündigungserklärung muss weiter der Hinweis enthalten sein, dass der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist eine Abfindung nach den im Gesetz genannten Parametern beanspruchen kann. Die Höhe der Abfindung muss nicht rechnerisch angegeben werden.
Rz. 80
Weitere Voraussetzung ist, dass die zu beachtende Kündigungsfrist abgelaufen ist (vgl. § 1a Abs. 1 S. 1 KSchG). Verstirbt der Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist, geht der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG daher nicht auf dessen Erben über.
Rz. 81
§ 1a KSchG setzt zudem voraus, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem KSchG genießt. Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers muss also mindestens sechs Monate bestanden haben (§ 1 Abs. 1 KSchG) und es darf sich nicht um einen Kleinbetrieb i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG handeln.
Rz. 82
Nach Erfüllen dieser Voraussetzungen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Die Höhe des Monatsverdienstes richtet sich nach § 10 Abs. 3 KSchG.
Rz. 83
Wird dem Arbeitnehmer in einem nach § 1a KSchG gestalteten Kündigungsschreiben eine Abfindung angeboten, die höher ist als die gesetzlich vorgesehene, etwa weil der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer anderenfalls die Kündigung nicht hinnehmen wird, greift § 1a KSchG nicht ein. Der im Kündigungsschreiben enthaltene Hinweis kann nach § 140 BGB gegebenenfalls in ein Angebot auf Abschluss eines Abwicklungsvertrags auf Zahlung dieser höheren Abfindung bei Verstreichenlassen der Klagefrist umgedeutet werden; dieses Angebot muss aber angenommen werden.
Rz. 84
Die Abfindungskündigung gem. § 1a KSchG kann schließlich mit einem Klageverzicht des Arbeitnehmers gekoppelt werden, indem der Arbeitnehmer bestätigt, gegen die Kündigung keine Einwendungen zu erheben und keine Klage einzureichen. Das gilt – soweit es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt – jedenfalls dann, wenn eine kompensatorische Gegenleistung gewährt wird. Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB ist auch für den Klageverzichtsvertrag zu beachten, wenn der Klageverzicht in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung erfolgt. In dem Klageverzicht kann überdies eine aktive Mitwirkung des Arbeitnehmers an der "Lösung" des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur Sperrzeitverhängung wegen Arbeitsaufgabe zu sehen sein. Aus Arbeitnehmersicht ist ein Klageverzicht deshalb riskant und daher erfahrungsgemäß in der Praxis nur schwer durchzusetzen.
Rz. 85
Mängel der Kündigung sind für § 1a KSchG unbeachtlich. Insoweit ist weder von Belang, ob tatsächlich betriebsbedingte Kündigungsgründe vorhanden sind noch, ob die an sich zu beachtende Kündigungsfrist eingehalten oder der Betriebsrat bzw. das Integrationsamt etc. ordnungsgemäß beteiligt wurde.
Rz. 86
Im Falle eines Vorgehens des Arbeitgebers nach § 1a KSchG hat der Arbeitnehmer – abgesehen von dem zuvor erwähnten Fall des gekoppelten Klageverzichts – keine sozialversicherungsrechtlichen Nachteile wie insbesondere die Verhängung einer Sperrzeit zu erwarten. Bietet der Arbeitgeber in einem nach § 1a KSchG gestalteten Schreiben eine höhere als die in der Vorschrift normierte Abfindung an, bleiben die ansonsten gegebenen sozialversicherungsrechtlichen Vorteile des § 1a KSchG hingegen nicht erhalten, wenn es bei einem Vorgehen des Arbeitgebers nach § 1a KSchG nachweislich zu Vorfeldabsprachen zwischen den Parteien gekommen ist, ob dies eine Sperrzeit...