Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 12
Bei der Kündigung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, d.h. sie muss ihrem Adressaten wirksam zugehen (§ 130 BGB). Sie geht zu, wenn derjenige, an den sie gerichtet ist, bei gewöhnlichen Verhältnissen von ihr Kenntnis nehmen kann.
Rz. 13
Eine Kündigung kann im Grundsatz zu jeder Zeit und an jedem Ort wirksam erklärt werden. Sie darf also im zeitlichen Zusammenhang mit einer Krankheit, dem Tod naher Angehöriger, an gesetzlichen Feiertagen, Sonntagen und auch am Heiligen Abend zugehen. Wählt der Kündigende allerdings absichtlich oder aufgrund gedankenloser Missachtung der persönlichen Belange des Kündigungsempfängers einen besonders beeinträchtigenden Zugangszeitpunkt, kann die Kündigung als "zur Unzeit" unwirksam sein, wenn der Gekündigte sich dagegen innerhalb einer einzelfallabhängigen Überlegungsfrist zur Wehr setzt.
Rz. 14
Die einem Anwesenden ausgehändigte schriftliche Kündigung geht ihm mit Übergabe zu. Auch die Übergabe an einen sog. Empfangsboten wie beispielsweise einer Hausangestellten oder einem im Haushalt lebenden Familienangehörigen oder Lebensgefährten ist möglich. Jedoch kommt es bei einem Empfangsboten – anders als bei einer Empfangsvollmacht – für den Zugang auf die Person des Adressaten an. Erst wenn dieser unter Zugrundelegung gewöhnlicher Übermittlungsverhältnisse die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, ist die Erklärung zugegangen. Der Empfangsbote hat daher nur die Funktion einer personifizierten Empfangseinrichtung des Adressaten.
Rz. 15
Die einem Abwesenden gegenüber erklärte Kündigung wird gemäß § 130 Abs. 1 BGB wirksam, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, dass der Empfänger von ihr Kenntnis erhält. Allein entscheidend ist, wann der Empfänger von der Kündigung Kenntnis nehmen konnte und nicht, wann er Kenntnis genommen hat. Ein Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten führt den Zugang herbei, wenn und sobald mit dessen Leerung zu rechnen ist. Daran ändert die Abwesenheit des Arbeitnehmers von seiner Zustellanschrift (z.B. Urlaub, Krankenhausaufenthalt) nichts. Ein zeitlich nach der üblichen Postzustellzeit in den Briefkasten eingeworfenes Schreiben geht in der Regel erst am nächsten Tag zu. Wird die Kündigung an einem gesetzlichen Feiertag oder Sonntag in den Briefkasten eingeworfen, erfolgt der Zugang ebenfalls erst am folgenden Werktag. Bei Angabe einer postlagernden Anschrift oder eines Postfachs ist der Zugang bewirkt, sobald die Post sie zum Abholen bereithält oder in das Postfach einlegt und üblicherweise noch mit dem Abholen gerechnet werden kann. Bei Einschreiben ist zwischen Übergabe-Einschreiben und Einwurf-Einschreiben zu differenzieren. Ein Übergabe-Einschreiben geht erst in dem Zeitpunkt zu, in dem das Einschreiben dem Empfänger übergeben bzw. von diesem oder einer empfangsbevollmächtigten Person auf der Post abgeholt und der Auslieferungsbeleg unterschrieben wird, sofern dies innerhalb der mitgeteilten Aufbewahrungsfrist geschieht. Es geht nicht bereits dann zu, wenn der Benachrichtigungsschein hinterlassen wird. Demgegenüber dokumentiert der Postzusteller beim Einwurf-Einschreiben lediglich den Einwurf der Sendung in den Briefkasten des Empfängers, und zwar auf einem Auslieferungsbeleg mit Datum und Unterschrift, der dem Absender nur auf Anforderung als schriftlicher Datenauszug zur Verfügung gestellt wird. Unabhängig davon, ob dieser im Prozess als Privaturkunde dienen kann, kommt ihm aber keine Beweiskraft zu, die den bei einem Übergabe-Einschreiben erstellten Belegen gleichkommt. Denn er belegt gerade nicht die persönliche Übergabe an den Empfänger, und hinsichtlich der Möglichkeit der Kenntnisnahme infolge des Einwurfs in seinen Briefkasten ist der Beweiswert schon wegen möglicher Fehler des Postzustellers geringer. Für die Tatsache und den Zeitpunkt des Zugangs bietet ein Übergabeeinschreiben somit Nachweismöglichkeiten, die über jene eines Einwurfeinschreibens hinausgehen.
Rz. 16
Empfehlenswert ist die Zustellung eines Kündigungsschreibens mittels Boten. Dabei darf es sich ohne weiteres um einen Mitarbeiter des Betriebes handeln. Zum Nachweis des Zugangs empfiehlt sich in diesem Fall die Kuvertierung des Kündigungsschreibens in Anwesenheit des Boten und dessen sorgfältige Anweisung zur Übermittlungsart und zum entsprechenden Ausfüllen des sog. Überbringerprotokolls. Ggf. ist der Bote anzuweisen, vom Zustellungsort Fotographien zu fertigen.
Rz. 17
Unter Umständen kann sich ein Arbeitnehmer auf einen verspäteten Zugang des Kündigungsschreibens nach Treu und Glauben nicht berufen, so etwa dann, wenn er aus einem Verfahren vor dem Integrationsamt weiß, dass ihm eine fristlose Kündigung zugehen wird und er das Kündigungsschreiben trotz Benachrichtigung nicht oder nicht zeitnah bei der Postdienststelle abgeholt hat. Gleiches gilt, wenn er dem Arbeitgeber eine falsche Anschrift angegeben hat, nachdem er von...