Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 391
Zentraler Regelungsinhalt eines Aufhebungsvertrages ist meist die Zahlung einer Abfindung. Die Höhe der Abfindung ist – abgesehen von den Fällen des § 1a KSchG – durch die Parteien festzulegen. Sie wird sich regelmäßig an der Begründetheit einer alternativ auszusprechenden bzw. zusätzlich ausgesprochenen Kündigung, den weiteren Planungen des Arbeitnehmers, dessen persönlicher Lebenssituation (z.B. Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, Rentennähe bzw. -ferne, Lebensalter), aber auch an der Dauer der Tätigkeit für den Arbeitgeber ("Betriebszugehörigkeit") orientieren. Die Höhe der Abfindung kann auch von der betroffenen Branche, der Orts- und Betriebsüblichkeit abhängen. Häufig ist auch das persönliche Verhandlungsgeschick entscheidend.
Rz. 392
Soll zum Ausgleich von ausstehenden Gehaltsansprüchen eine erhöhte Abfindung gezahlt werden, ist dies durch eine entsprechende Regelung zu verdeutlichen. Anderenfalls droht eine ungewollte Überzahlung für den Arbeitgeber, da in einem solchen Fall nicht von einem stillschweigenden Verzichtsvertrag über die noch ausstehenden Gehaltsbestandteile ausgegangen werden kann.
Rz. 393
Die Abfindung ist zu versteuern. Die bis zum 31.12.2005 geltenden Steuerfreibeträge gem. § 3 Nr. 9 EStG sind entfallen (zu den steuerrechtlichen Folgen im Einzelnen siehe Rdn 408).
Rz. 394
Im Zweifel ist ein festgesetzter Abfindungsbetrag als Brutto-Betrag zu verstehen. Die zuweilen gängige Kennzeichnung des Abfindungsbetrages mit "brutto = netto" ist nicht eindeutig, missverständlich und gegebenenfalls auslegungsbedürftig. Mit dieser Formulierung wird i.d.R. objektiv nur zum Ausdruck gebracht, dass der vereinbarte Abfindungsbetrag vom Arbeitgeber ungekürzt ausgezahlt werden soll. Es ist dann durch Auslegung zu ermitteln, wer von den Parteien die auf die Abfindung anfallende Steuer zu tragen hat. Dies ist grds. der Arbeitnehmer, da im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung ist. Die Formulierung, eine Abfindung sei "netto" zu zahlen, kann dagegen dahin ausgelegt werden, der Arbeitgeber habe die auf die Abfindung zu zahlende Lohnsteuer zu tragen. Abfindungen, die vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer infolge der Vereinbarung einer sog. Sprinterklausel als Ausgleich für die wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr entstehenden Gehaltsansprüche geleistet werden, stellen Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1a EStG dar. Vorsorglich sollte bei einer Sprinterklausel vereinbart werden, dass die vorzeitige Auflösung vom Arbeitgeber gewünscht ist und in seinem Interesse liegt.
Rz. 395
Vereinbaren die Parteien ausdrücklich, dass der Arbeitgeber für die Dauer der Arbeitslosigkeit die Steuern übernimmt, soweit sie auf ein einzelvertraglich vereinbartes Übergangsgeld anfallen, ist der Arbeitgeber auch zur Erstattung der progressionsbedingten steuerlichen Mehrbelastung verpflichtet und der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber Zahlung an sich verlangen, wenn er die Steuerschuld bereits getilgt hat. Darüber hinaus haftet der Arbeitgeber auf Schadensersatz in Höhe der anfallenden Steuer, sofern er im Rahmen eines Beratungsgespräches über einen Aufhebungsvertrag dem Arbeitnehmer fälschlich mitteilt, ein bestimmter Betrag unterliege nicht der Steuerpflicht. In einem solchen Fall kann er sich anschließend nicht darauf berufen, dass in dem Aufhebungsvertrag der Betrag als Bruttobetrag vereinbart worden sei.
Rz. 396
Nimmt der Arbeitgeber die Versteuerung des Abfindungsbetrages vor und behält er keine oder zu wenig Lohnsteuer ein, bleibt er als Haftungsschuldner dem Finanzamt zur Zahlung verpflichtet. Erfüllt er später freiwillig die Steuerforderung, entsteht in diesem Augenblick ein Rückerstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer (§ 426 Abs. 2 S. 1 BGB).
Rz. 397
Die Abfindung ist sozialversicherungsfrei. Besteht das Arbeitsverhältnis jedoch weiter fort und wird die Abfindung zur Kompensation einer eintretenden Verschlechterung der Arbeitsbedingungen gezahlt (z.B. Umwandlung eines Vollzeit- in ein geringfügiges Arbeitsverhältnis ["538 EUR-Job"] oder Absenkung der Vergütung), besteht Sozialversicherungspflicht. Denn während echte Abfindungen nicht dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt aus der bisherigen Beschäftigung zugerechnet werden, da sie für eine Zeit nach Ende der Beschäftigung gezahlt würden, handelt es sich in den letztgenannten Fällen um eine Entgeltkompensation, die der Beschäftigte bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis von seinem Arbeitgeber als Gegenleistung für die Zeit einer Beschäftigung erhält. Allerdings kann insofern eine begünstigt zu besteuernde Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1a EStG vorliegen.
Rz. 398
Auch im Übrigen bietet es sich zur Vermeidung von Unklarheiten und rechtlicher Zweifelsfragen an, sorgfältig zwischen der Abfindungszahlung und sonstigen noch zu erfolgenden Zahlungen von Arbeitsentgelt, z.B. auch Urlaubsabgeltung zu differenzieren (zu den sozia...