Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 306
Das BAG nimmt allerdings an, dass Klageverzichtsvereinbarungen, die im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung getroffen werden, keine (formfreien) Abwicklungs-, sondern formbedürftige Auflösungsverträge i.S.d. § 623 BGB seien und deshalb der Schriftform bedürften. Der Verzichtsvertrag werde gerade deshalb geschlossen, weil bei seinem Abschluss aus Sicht des Arbeitgebers noch unsicher sei, ob die bereits ausgesprochene und noch angreifbare Kündigung ihr Ziel herbeiführen werde. Die nach Ausspruch der Kündigung einzige dem Arbeitnehmer verbleibende rechtliche Handhabe – die Möglichkeit der Kündigungsschutzklage – solle beseitigt werden. Der Zweck des § 623 BGB – Schutz vor Übereilung und Beweissicherung – greife daher ein. Der erforderliche Zusammenhang besteht jedoch nur dann, wenn Klageverzicht und Kündigung tatsächlich nur ein anderes Mittel sind, um das Arbeitsverhältnis durch ein faktisch einheitliches Rechtsgeschäft einvernehmlich zu lösen. Nicht jede Klageverzichtsvereinbarung, die innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG geschlossen wird, ist daher nach § 623 BGB formbedürftig; der Praxis ist jedoch vorsorglich die Wahrung der Schriftform zu empfehlen.
Rz. 307
Gemäß § 307 Abs. 3 BGB sind Hauptabreden der Inhaltskontrolle dann entzogen, wenn sie – wie regelmäßig – keine von Rechtsvorschriften abweichenden oder sie ergänzenden Regelungen enthalten (zur AGB-Inhaltskontrolle von Aufhebungsverträgen im Einzelnen vgl. Rdn 362 ff.). Die bloße Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist keine vom Gesetz abweichende Regelung. Die Aufhebungsvereinbarung als solche, auch wenn sie formularmäßig erfolgt, unterliegt damit keiner vertraglichen Inhaltskontrolle. Zu beachten ist aber, dass der formularmäßige Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unterliegt. Eine unangemessene Benachteiligung ist zwar nicht schon nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel zu vermuten, da ein Klageverzicht nach Zugang einer Kündigung als solcher mit wesentlichen Grundgedanken des Kündigungsschutzgesetzes zu vereinbaren ist. Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gerade auch während des Ablaufs der Drei-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG zulässig. Die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, der formularmäßig auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet, kann in solchen Fällen aber in dem Versuch des Arbeitgebers zu sehen sein, seine Rechtsposition ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers zu verbessern, indem er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Kündigung ohne jede Gegenleistung entzieht. Das Versprechen, dem Arbeitnehmer ein bestimmtes (überdurchschnittliches) Zeugnis auszustellen, ist keine ausreichende Kompensation für einen Klageverzicht. Eine unangemessene Benachteiligung ist auch gegeben, wenn der Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag geregelt ist, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber widerrechtlich i.S.d. § 123 BGB angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird.