Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 238
Gegen einen Zustimmungs- oder Ablehnungsbescheid kann binnen eines Monats nach Zustellung Widerspruch beim Integrationsamt eingelegt werden. Bei der Rechtsbehelfsbelehrung ist darauf zu achten, ob die Behörde bei Zustellung durch Einschreiben ihre Standard-Rechtsbehelfsbelehrung angepasst hat. Denn diese ist unrichtig i.S.v. § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO, wenn in ihr als Zeitpunkt des Fristbeginns der (tatsächliche) Zugang an Stelle der (fingierten) Zustellung des Verwaltungsakts (also drei Tage nach Aufgabe des Schreibens zur Post, vgl. Rdn 227) angegeben wird. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung aber fehlerhaft, wird die Monatsfrist nicht ausgelöst; dies gilt auch für den Hinweis, die Frist zum Widerspruch beginne mit der Bekanntgabe zu laufen. Ein Widerspruch muss weder begründet werden noch das Wort "Widerspruch" ausdrücklich enthalten. Es muss lediglich deutlich werden, dass der Widersprechende sich mit der Entscheidung nicht abfinden wird. Die Kosten des Widerspruchs sind erstattungsfähig, § 63 SGB X. Ist das Widerspruchsverfahren erfolglos, kann der Arbeitnehmer Klage zum Verwaltungsgericht erheben.
Rz. 239
Gemäß § 171 Abs. 4 SGB IX haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung keine aufschiebende Wirkung. Der Arbeitgeber kann also die Kündigung trotzdem aussprechen; sie ist dann schwebend wirksam und wird im Falle eines erfolgreichen Widerspruchs bzw. einer erfolgreichen Anfechtungsklage rückwirkend unwirksam. Dabei ist für die Überprüfung der Sachverhalt im Zeitpunkt der Kündigungserklärung entscheidend. Später mitgeteilter Sachverhalt ist nicht mehr zu berücksichtigen.
Rz. 240
Praxishinweis
Auch wenn der Arbeitnehmer Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid beim Integrationsamt einlegt, muss er fristgerecht Kündigungsschutzklage nach den §§ 4, 13 KSchG erheben, da die dreiwöchige Klagefrist der §§ 4, 7 KSchG durch das Widerspruchsverfahren nicht gehemmt wird. Im Verfahren vor dem Integrationsamt sollte der Arbeitnehmer alles vortragen, was er zur vermeintlichen Unwirksamkeit der Kündigung vorbringen möchte, da Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Kündigung, die erst nach Kündigungserklärung – etwa im Klageverfahren – vorgebracht werden, nicht mehr zu berücksichtigen sind.
Rz. 241
Eine Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG kann, auch im Fall der beabsichtigen außerordentlichen Kündigung, entweder parallel zum Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt oder nach dessen Beendigung durchgeführt werden. Wartet der Arbeitgeber die Entscheidung des Integrationsamtes ab, muss er sich unmittelbar nach deren Zustellung an den BR wenden und sofort nach Eingang der Stellungnahme des BR oder nach Ablauf der Drei-Tages-Frist kündigen.
Praxishinweis
Will der Arbeitgeber außerordentlich kündigen, ist es sinnvoll, den BR gleichzeitig zum Zustimmungsverfahren anzuhören, um nicht Gefahr zu laufen, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu versäumen.
Rz. 242
Nach § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX ist die Kündigung eines Schwerbehinderten ohne vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (SBV) unwirksam. Sinnvoll, wenn auch nicht zwingend erforderlich, ist es, die Anhörung gleichzeitig mit der BR-Anhörung durchzuführen. Sie kann vor dem Zustimmungsverfahren, parallel dazu oder nach dessen Beendigung erfolgen, wobei im letzteren Fall die Fristen für den Ausspruch der Kündigung (ordentliche Kündigung innerhalb eines Monats, § 171 Abs. 3 SGB IX, außerordentliche Kündigung unverzüglich, § 174 Abs. 5 SGB IX) besonders zu beachten sind.
Praxishinweis
Es ist generell zu empfehlen, die SBV gleichzeitig mit dem Betriebsrat und vor dem Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamt zu unterrichten. Insbesondere bei einer außerordentlichen Kündigung sollte die Anhörung jedenfalls parallel zum Zustimmungsverfahren erfolgen, um nicht Gefahr zu laufen, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu versäumen.