Rz. 90
Ist der Inhalt der zu überprüfenden Klausel durch Auslegung bestimmt, ist in einem weiteren Schritt die Frage zu stellen, ob die Klausel einen kontrollfähigen Inhalt hat.
Zu bedenken ist dabei zunächst, dass § 307 Abs. 1 und 2 sowie § 308 und § 309 BGB gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nur auf solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuwenden sind, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Hiermit ist zweierlei gesagt: Deklaratorische Regelungen, die lediglich den Inhalt einer Rechtsvorschrift in diesem Sinne wiedergeben, unterliegen ebenso wenig der Angemessenheitskontrolle wie Regelungen der von den Parteien geschuldeten Hauptleistungspflichten. Eine (uneingeschränkte) Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB findet in diesen Fällen gerade nicht statt, sondern lediglich eine Prüfung anhand des sog. Transparenzgebots (§ 307 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB). Im Einzelnen:
a) Begriff der Rechtsvorschrift
Rz. 91
Zu den Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gehören zunächst nicht nur förmliche Gesetze, sondern auch ungeschriebene Rechtsgrundsätze und das Richterrecht. Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen gemäß § 310 Abs. 4 S. 3 BGB den Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 BGB gleichstehen.
b) Kontrollfreiheit deklaratorischer Klauseln
Rz. 92
Damit ist zunächst zum Ausdruck gebracht, dass rein deklaratorische Regelungen, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes oder eines Tarifvertrages wiedergeben, von vornherein keiner Überprüfung auf inhaltliche Angemessenheit hin unterliegen. Voraussetzung für die Kontrollfreiheit ist allerdings, dass die vertragliche Regelung in jeder Hinsicht mit der wiedergegebenen oder auch in Bezug genommenen Norm übereinstimmt und sich am Vertragsinhalt dementsprechend nichts ändert, wenn man sich die jeweilige Regelung im Vertrag wegdenkt. Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den von einer Rechtsnorm lediglich abgesteckten Rahmen ausfüllen oder die Norm ergänzen, unterliegen daher sehr wohl der Inhaltskontrolle.
Rz. 93
Der Grund für die Herausnahme deklaratorischer Regelungen aus dem Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle liegt darin, dass es nicht Sinn der §§ 307 ff. BGB ist, Rechtsnormen einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen und schließlich auch die Kontrolle leerliefe, weil im Fall der rechtlichen Beanstandung einer Klausel wegen § 306 Abs. 2 BGB letztlich doch wieder die gesetzliche Regelung zum Tragen käme.
Rz. 94
Auch wenn rein deklaratorische Vorschriften nicht der Inhaltskontrolle am Maßstab der § 307 Abs. 1 und 2 sowie § 308 und § 309 BGB unterliegen, können sie jedoch gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 BGB dann unwirksam sein, wenn sie nicht klar und verständlich gefasst sind und somit gegen das sog. Transparenzgebot verstoßen. Eine Transparenzkontrolle bleibt damit auch in diesen Fällen möglich.
c) Kontrollfreiheit der Hauptleistungspflichten
Rz. 95
Ausgenommen sind von einer Angemessenheitskontrolle ferner die vertraglich vereinbarten Hauptleistungspflichten. Dass dies so ist, folgt zwar nicht schon ohne Weiteres aus dem Wortlaut des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, wird jedoch – wie auch schon früher unter § 8 AGBG – aus der Vorschrift und dem Gedanken abgeleitet, dass es für die Festlegung der Hauptleistungspflichten in aller Regel keine gesetzlichen Vorschriften gibt, von denen abgewichen werden könnte und Leistung, Gegenleistung sowie das Verhältnis zwischen beiden der Verhandlung der Parteien vorbehalten sein und grds. keiner richterlichen Angemessenheitskontrolle unterliegen soll. Auch das BAG hat verschiedentlich betont, dass es nicht Aufgabe der Gerichte ist, über die Anwendung der §§ 305 ff. BGB einen "gerechten Preis" für eine Arbeitsleistung festzulegen. Zudem deuten bereits die Vorgaben der Richtlinie 93/13/EWG auf eine Kontrollfreiheit von Regelungen der Hauptleistungen hin. Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie betrifft die Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln weder den Hauptgegenstand des Vertrags noch die Angemessenheit zwischen Preis bzw. Entgelt einerseits und den dafür versprochenen Gütern bzw. Dienstleistungen andererseits, sofern diese Klauseln klar und verständlich gefasst sind.
Rz. 96
Eine Inhaltskontrolle auch mit Blick auf Regelungen der Hauptleistungspflichten kommt allerdings grds. dort in Betracht, wo diese ausnahmsweise durch Rechtsvorschriften – etwa in Gestalt der Gebührenordnungen der Freien Berufe – bestimmt werden. In der arbeitsrechtlichen Praxis spielt dies allerdings in Ermangelung solcher Rechtsvorschriften keine nennenswerte Rolle: Zu denken ist zwar etwa an die Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG, der für den Fall des Fehlens tarifvertraglicher Ausgleichsregelungen vorsieht, dass der Arbeitgeber seinen Nachtarbeitnehmern für wä...