Rz. 1

Bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes[1] am 1.1.2002 waren die Grundsätze der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) geregelt. Für das Arbeitsrecht hatte dieses Gesetz keine unmittelbare Bedeutung, da in § 23 Abs. 1 AGBG ausdrücklich vorgesehen war, dass das AGBG bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts keine Anwendung finden sollte. Der Arbeitnehmerschutz sollte durch vorrangige, arbeitsrechtliche Schutzvorschriften realisiert werden. Eine Inhaltskontrolle vorformulierter Arbeitsverträge anhand der Maßstäbe des AGB-Rechts war damit ausgeschlossen.

 

Rz. 2

Mit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform wurden die Regelungen des ehemaligen AGBG in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert und sind dort heute bekanntlich unter §§ 305 ff. BGB zu finden. Die zuvor in § 23 Abs. 1 AGBG enthaltene Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht wurde in diesem Zuge bewusst nicht bzw. nur in Teilen übernommen. Die Bundesregierung war seinerzeit der Auffassung, dass die Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht aufzuheben sei, weil auch im Arbeitsrecht ein "Bedürfnis nach richterlicher Kontrolle der einseitig vom Arbeitgeber festgelegten Arbeitsbedingungen" gegeben sei.[2] Von besonderer Bedeutung sei dies gerade vor dem Hintergrund der existentiellen Bedeutung des Arbeitsplatzes für den Einzelnen. Eine "sich selbst überlassene" Vertragsfreiheit sei nicht in der Lage, insgesamt einen ausreichenden Schutz der Arbeitnehmer vor unangemessenen Vertragsbedingungen zu gewährleisten.[3] Unter Hinweis darauf, dass zumindest einige Senate des BAG ohnehin schon mehr oder weniger deutlich einer an den Grundsätzen des § 9 AGBG (später: § 307 BGB) orientierten Inhalts- bzw. Angemessenheitskontrolle[4] zuneigten, wurde letztlich die Bereichsausnahme für vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge gestrichen. Allerdings sieht § 310 Abs. 4 S. 2 BGB nunmehr auch vor, dass bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge "die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen" sind.[5]

 

Rz. 3

Von der Reform des Schuldrechts unberührt blieb die Bereichsausnahme für Regelungen in Tarifverträgen sowie in Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen (vgl. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB). Der Gesetzgeber verwies in diesem Zusammenhang zum einen darauf, dass es sich insoweit um zwischen den Kollektivvertragsparteien – sozusagen auf "Augenhöhe" – ausgehandelte Verträge handelt. Zum anderen sah er eine gerichtliche Kontrolle gerade tariflicher Normen als zu gravierenden Eingriff in die Tarifautonomie an.[6] Von der grundsätzlich durchaus denkbaren Anordnung einer Inhaltskontrolle tariflicher Bestimmungen oder von Betriebs-/Dienstvereinbarungen wurde daher bewusst Abstand genommen.[7]

§ 310 Abs. 4 S. 3 BGB sieht schließlich in diesem Zusammenhang zusätzlich vor, dass Tarifverträge und Betriebs-/Dienstvereinbarungen Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 BGB gleichstehen. Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass z.B. individualvertragliche Regelungen im Arbeitsvertrag, die lediglich den Inhalt tariflicher Regelungen wiedergeben, ebenfalls nicht der Inhaltskontrolle unterliegen.[8] Gem. § 307 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB bleibt es allerdings dabei, dass auch derartige Regelungen am Transparenzgebot zu messen sind.[9]

[1] Siehe BT-Drucks 14/6857.
[2] Siehe BT-Drucks 14/6857, 53.
[3] Siehe BT-Drucks 14/6857, 53 f.
[4] Vgl. hierzu auch BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 m.w.N. zur älteren Rechtsprechung.
[5] Vgl. hierzu unter Rdn 147 ff.
[6] Siehe BT-Drucks 14/6857, 54.
[7] Zur genauen Bedeutung dieser Ausnahme vgl. Rdn 19 ff.
[8] Zu den Einzelheiten im Fall einer Inbezugnahme vgl. Rdn 22 ff.
[9] Siehe BT-Drucks 14/6857, 54. Zum Transparenzgebot vgl. Rdn 135 ff.

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