Rz. 156
Führt die Überprüfung der Klausel anhand der §§ 305 ff. BGB – auch unter dem Aspekt einer denkbaren Erhaltung der Klausel durch Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten – zu dem Ergebnis, dass die Klausel entweder gar nicht erst wirksam in den Vertrag einbezogen wurde oder unwirksam ist, so stellt sich die weitere Frage, welche Rechtsfolgen dies für die Vereinbarung der Parteien hat.
1. § 306 Abs. 1 BGB als Spezialregelung zu § 139 BGB
Rz. 157
Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen würde die Nichtigkeit einzelner Bestimmungen eines Arbeitsvertrags jedenfalls dann die Nichtigkeit des gesamten Vertrags nach sich ziehen, wenn nicht anzunehmen ist, dass die Parteien den Vertrag auch ohne die nichtige Klausel abgeschlossen hätten (vgl. § 139 BGB). Da eine Gesamtnichtigkeit des Vertrags allerdings wegen des damit einhergehenden Wegfalls der vertraglichen Grundlage und der Risiken einer Abwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen in aller Regel aus Arbeitnehmersicht das nachteiligste und am wenigsten wünschenswerte Ergebnis darstellt, gilt schon die allgemeine Regelung des § 139 BGB nach der einschlägigen Rechtsprechung im arbeitsrechtlichen Kontext nur stark eingeschränkt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die (Teil-)Nichtigkeit des Vertrags aus einem Verstoß gegen arbeitnehmerschützende Vorschriften ergibt, deren Schutzziel durch Annahme einer Gesamtnichtigkeit unter Umständen gerade in ihr Gegenteil verkehrt würde. Es werden daher schon außerhalb der §§ 305 ff. BGB unterschiedliche Begründungsansätze vertreten, um in solchen Fällen die Anwendbarkeit des § 139 BGB von vornherein unter Hinweis auf den Schutzzweck der Verbotsnorm auszuschließen oder jedenfalls unter Hinweis auf § 242 BGB zu begrenzen.
Rz. 158
Für das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sieht § 306 BGB überdies ohnehin eine den § 139 BGB verdrängende Spezialregelung vor, die hier Überlegungen zu einer Einschränkung des § 139 BGB überflüssig macht. Auch § 306 BGB soll mit seiner von § 139 BGB abweichenden Aussage den Vertragspartner des Verwenders – im hier interessierenden Zusammenhang also in aller Regel den Arbeitnehmer – vor den nachteiligen Folgen einer Gesamtnichtigkeit schützen. § 306 Abs. 1 BGB ordnet dazu ausdrücklich an, dass eine Unwirksamkeit oder Nichteinbeziehung einzelner AGB die Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen gerade nicht berührt. Wegen § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gilt diese Aussage nicht nur für AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB, sondern auch für die sog. vorformulierten Einmalbedingungen.
2. Von § 306 Abs. 1 BGB erfasste Fallgruppen
Rz. 159
Schon aus dem Wortlaut des § 306 Abs. 1 BGB folgt, dass mit dieser Norm zwei Fallgestaltungen angesprochen sind: Zum einen geht es um den Fall der Rechtsunwirksamkeit einer bestimmten Regelung in AGB. Hierunter sind insbesondere die Fälle zu verstehen, in denen sich die Unwirksamkeit aus einem Verstoß gegen eines der Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB oder gegen die Generalklausel des § 307 BGB ergibt. Erfasst sind jedoch auch Fälle, in denen die Unwirksamkeit gerade nicht aus §§ 307–309 BGB, sondern aus anderen gesetzlichen Vorschriften folgt.
Rz. 160
Neben den Fällen der Unwirksamkeit einzelner AGB erfasst § 306 Abs. 1 BGB zudem auch die Fälle von deren Nichteinbeziehung in den Vertrag. Die praktische Bedeutung dieser Variante des § 306 Abs. 1 BGB ist im Bereich des Arbeitsrechts eher gering, da die ansonsten sehr praxisrelevanten Einbeziehungsvorschriften des § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB im Arbeitsrecht gerade nicht anzuwenden sind (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 BGB). Fälle der Nichteinbeziehung sind daher im arbeitsrechtlichen Zusammenhang seltener anzutreffen als in anderen Rechtsbereichen, allerdings auch hier keinesfalls ausgeschlossen: So werden gemäß § 305c BGB die sog. überraschenden Klauseln nicht Bestandteil des Vertrags. Gerade die überraschenden Klauseln bilden damit auf der Rechtsfolgenseite im arbeitsrechtlichen Zusammenhang einen typischen Anwendungsfall des § 306 Abs. 1 1. Alt. BGB. Zu einer Anwendung des § 306 BGB kommt man jedoch z.B. auch dann, wenn sich die Nichteinbeziehung aus allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen (§§ 145 ff. BGB) ergibt. Der Grund für das Scheitern der Einbeziehung ist hier letztlich gleichgültig.
3. Wirksamkeit des Vertrags "im Übrigen"
Rz. 161
Verstößt eine Regelung in AGB gegen §§ 307 ff. BGB oder ist sie – z.B. wegen ihres im Sinne von § 305c BGB überraschenden Charakters – nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden, stellt sich die weitere Frage, welche Ausmaße die hierdurch verursachte Vertragslücke im Detail hat. Wie bereits erläutert, ordnet § 306 Abs. 1 BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen in Abweichung von § 139 BGB an, dass die Unwirksamkeit oder Nic...