Rz. 22
Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gelten die Regelungen der Inhaltskontrolle (§§ 307 Abs. 1 und 2, 308 f. BGB) nur bei Klauseln, die einen von den Rechtsvorschriften abweichenden oder diese ergänzenden Inhalt haben. Andere Klauseln werden nicht der Inhaltskontrolle unterzogen und müssen lediglich den allgemeinen Anforderungen z.B. an Transparenz genügen. Daneben kommen die allgemeinen Unwirksamkeitstatbestände in Betracht (insbesondere §§ 134, 138 BGB).
Rz. 23
"Kontrollfrei" bleiben also:
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Gesetzeszitierende Klauseln ("deklaratorische Klauseln"): Die Wiedergabe muss nicht wörtlich sein, aber mit gleichem Inhalt. Beispiel: Wiedergabe des Regelungsgehalts von § 147 Abs. 2 BGB durch eine Annahmeklausel. Die nur stichwortartige Wiedergabe kann für das Privileg genügen. Gegenbeispiel: Die Konkretisierung einer Gesetzesnorm (z.B. Umsetzung einer "angemessenen" in eine konkrete Frist, z.B. bei § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ist bereits ein Abweichen. |
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Leistungs- und Gegenleistungs-Vereinbarungen (z.B. Standard-Leistungsbeschreibungen oder AGB-Preisregelungen): Regelungen sind kontrollfrei, die in Ermangelung gesetzlicher Regelungen als "essentialia negotii" zur Bestimmung des Vertragsinhalts erforderlich sind. Dies heißt: Regelungen, die (unmittelbarer) Gegenstand der Haupt- oder Nebenleistungen der Parteien sind, weichen in aller Regel nicht von gesetzlichen Bestimmungen (die es nicht gibt!) ab und sind daher der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogen. Zu diesen Klauseln gehören insbesondere die Umschreibung der vertraglichen (Haupt-)Leistungen, also insbesondere Leistungsbeschreibungen (siehe hierzu Rdn 46 ff.), und die der (Haupt-)Gegenleistung, also die Preis- (Haupt-)Abrede. Generell sind auch die Preise für Nebenleistungen kontrollfrei (nicht mit den Preisnebenabreden zu verwechseln; dazu gleich). Kontrollfrei sollen auch sog. Komplettheitsklauseln z.B. in Anlagenverträgen sein, da hierin das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung geregelt werde. |
Rz. 24
Regelungen, die das Hauptleistungs-Versprechen ihrerseits ergänzen, verändern oder einschränken, unterliegen dagegen der Inhaltskontrolle. Beispiel: Pauschalzahlungen bei Nichterfüllung der Lieferpflichten, weil hier sonst Schadensersatzansprüche bestünden. Klauseln über Preisanpassung (weil Abweichung von der Regel: Preise sind vereinbart). Dies gilt auch für Regelungen, mittels derer der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (sog. Preisnebenabreden). Beispiel: Eine Klausel in Verbraucher-AGB eines Luftfrachtunternehmens, wonach bei Kreditkartenzahlung 4 EUR Gebühr zu leisten (und eine Barzahlung ausgeschlossen) sind, ist kontrollfähig. Vor allem im Bereich der Bankdienstleistungen ist die Anwendung dieser Grundsätze laufend Gegenstand von höchstrichterlichen Entscheidungen. Bewegt sich der Verwender in einem preisregulierten Markt, so sind auch Klauseln über die Entgelthöhe der Inhaltskontrolle entzogen, wenn der Verwender keinen privatautonomen Gestaltungsspielraum hat. Daher unterliegt ein von der Bundesnetzagentur genehmigtes Tarifwerk keiner Inhaltskontrolle. Ebenso führen gesetzliche Bestimmungen, die nur eine mögliche Lücke im Vertrag im Rahmen des Üblichen schließen wollen, nicht zur Inhaltskontrolle einer AGB-Lückenfüllung. Letzteres gilt für die Entgeltregelung z.B. in §§ 612, 632 BGB, aber auch etwa für § 434 Abs. 1 S. 2 BGB bei Leistungsbeschreibungen (siehe Rdn 46 ff.).
Rz. 25
Die Kontrollfähigkeit wird generell verneint, wenn der Gesetzgeber in einer Rechtsvorschrift (gerade auch) eine "Freigabe" der Regelung durch AGB in seinen Willen einbezogen und Voraussetzungen und Grenzen für die Änderung (durch AGB oder in anderer Weise) aufgestellt hat. Die Frage, ob eine (AGB-spezifische) Erlaubnisnorm vorliegt, ist u.a. durch Studium der Gesetzesmaterialien zu klären. Beispiel: § 32 Abs. 1 AVBFernwärme lässt für Fernwärmelieferverträge eine Laufzeit von maximal 10 Jahren zu, welche auch in AGB vorgesehen werden darf. Allerdings ist der BGH zurückhaltend und begründet Fälle, in denen er eine Erlaubnisnorm in der Sache annimmt, meistens mit einem anderen Etikett: dass eigentlich nur die gesetzliche Bestimmung wiederholt werde. Die Rechtsprechung dürfte aber auch unter der Klausel-RL weiterhin gültig sein.