Rz. 203

Nach § 38 Abs. 1 ZPO können Kaufleute Gerichtsstandsvereinbarungen auch mit ausschließlicher Zuständigkeit schließen.[305] Gegenüber Unternehmern muss die Klausel das Mahnverfahren (vgl. § 689 Abs. 2 ZPO) wohl nicht ausdrücklich ausnehmen.[306] Die Klausel ist trotz fehlender Differenzierung zwischen Unternehmern (Kaufleuten) und Verbrauchern beim Individualprozess gegenüber einem Kaufmann nicht unwirksam.[307] Die Gerichtsstands-Klausel kann in der konkreten Situation überraschend sein, aber kaum als solche.[308] Zwischen Kaufleuten ist das nach §§ 12 ff. ZPO (wesentliche Gerechtigkeitsgedanken i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) erforderliche legitime Interesse an solchen Vereinbarungen i.d.R. zu bejahen.[309] Zulässig sind daher im Allgemeinen Klauseln, die den (auch "jeweiligen"[310]) Sitz des Verwenders als Gerichtsstand oder ein Wahlrecht des Verwenders zwischen verschiedenen Gerichtsständen vorsehen[311] oder die ein Amtsgericht (anstelle des meist zuständigen Landgerichts) als ausschließlichen Gerichtsstand vorsehen.[312] Zulässig ist auch das Wahlrecht des Verwenders zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht bei eigenen Klagen (Verwender darf aber kein Wahlrecht bei Klagen des Kunden haben).[313] Bei grenzüberschreitender Geltung der Gerichtsstandsvereinbarung ist Art. 23 EuGVO zu beachten.[314] Die §§ 305 ff. BGB sind nach überwiegender Ansicht nicht anwendbar oder stellen dort jedenfalls gegenüber Unternehmern keine Zusatz-Anforderungen.[315]

[305] BGH v. 24.7.1996 – X ARZ 683/96, NJW 1996, 3013, 3014: Ausschließlichkeit ggf. durch Auslegung zu ermitteln.
[306] OLG Schleswig v. 21.6.2006 – 2 W 88/06, NJW 2006, 3361 f.: Klausel sah Ausnahme offenbar nicht vor, war aber wirksam; gegen Zwang zur Erwähnung auch: MüKo/Wurmnest, § 307 Rn 250. Für Erfordernis wohl BGH v. 31.10.1984 – VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320, 322.
[307] OLG Frankfurt v. 3.2.1998 – 5 U 267/96, MDR 1998, 664; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn 93. AA: LG Karlsruhe v. 8.11.1995 – O 102/95 KfH II, NJW-RR 1997, 56; MüKo/Wurmnest, § 307 Rn 252, 254; Staudinger/Coester, § 307 Rn 472. Nicht aber im Verbandsprozess: LG Düsseldorf v. 29.12.1993 – 12 O 322/93, NJW-RR 1995, 440, 441.
[308] Siehe MüKo/Wurmnest, § 307 Rn 251.
[309] Siehe auch AGB-Klauselwerke/Thüsing, Vertragsrecht/"Gerichtsstandsklauseln" Rn 14 f., 16: unzulässig, wo ausschließlich Bequemlichkeit besteht; differenzierter: Staudinger/Coester, § 307 Rn 474 f.
[311] Siehe BGH v. 28.10.1982 – I ARZ 449/82, NJW 1983, 996; Staudinger/Coester, § 307 Rn 475.
[312] LG Frankenthal v. 2.4.1996 – 1 HK O 45/96, NJW 1997, 203.
[313] BGH v. 10.10.1991 – III ZR 141/90, ZIP 1992, 59; BGH v. 24.9.1998 – III ZR 133/97, NJW 1999, 282 f.; Staudinger/Coester, § 307 Rn 475; vgl. auch OLG Bremen v. 28.6.2006 – 2 Sch 3/06, EWiR 2007, 415 f. (Korte) – Klausel aber nicht abgedruckt.
[314] Siehe dazu BGH v. 30.3.2006 – VII ZR 249/04, NZBau 2006, 381; zur EuGVO auch: OLG Hamm v. 20.9.2005 – 19 U 40/05, ZIP 2005, 2336 (LS); MüKo/Wurmnest, § 307 Rn 255 ff.
[315] Siehe Staudinger/Coester, § 307 Rn 470a m.w.N. (etwas zurückhaltender Rn 470b): Art. 23 EGGVO stellt geschlossenes einheitsrechtliches Zuständigkeitssystem dar, welches für das AGB-Recht keinen Raum lässt. Siehe ähnlich auch MüKo/Wurmnest, § 307 Rn 256: nationales Recht (insb. AGB-Recht) kaum Bedeutung.

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