Rz. 26
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Bei der Auslegung ist nicht das subjektive Verständnis bei Vertragsabschluss maßgebend ist, sondern das objektive Verständnis der fraglichen Klausel im Gesamtzusammenhang der AGB so, wie der verständige und redliche betreffende typische Durchschnittskunde (Reisender, Käufer usw.) die Regelung verstehen darf. In erster Linie ist der Wortlaut maßgebend, daneben kommt es auf Sinn und Zweck und die systematische Stellung der Klausel im Gesamtwerk an. Dies gilt nicht nur für den Verbandsprozess nach UKlaG, sondern auch für den Individualprozess. AGB werden daher auch anhand der typischen Anwendungsfälle und der durchschnittlichen (angesprochenen) Kunden überprüft.
Rz. 27
Maßgeblich für die Beurteilung der Unangemessenheit nach § 307 BGB ist die "Tatsachenbasis" im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Dies gilt jedenfalls im Anwendungsbereich der Klausel-RL (vgl. Art. 4), muss aber auch darüber hinaus gelten.
Rz. 28
Im Rahmen der Inhaltskontrolle, gilt folgende Prüfungsreihenfolge innerhalb der §§ 307–309 BGB: Nach der Auslegung sind zunächst die Verbotstatbestände des § 309 BGB als speziellere Vorschrift zu prüfen, sodann die des § 308 BGB, zuletzt § 307 Abs. 1 und 2 BGB (bei der Prüfung ist i.d.R. mit Abs. 2 vor Abs. 1 zu beginnen). Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB ist aber in Ausnahmefällen auch dann möglich, wenn eine Klausel thematisch in den Bereich der Tatbestände der §§ 308 f. BGB fällt und diese Prüfung "besteht". Es müssen dann jedoch besondere, von der Verbotsnorm nicht erfasste Gründe für die Unangemessenheit sprechen. Zudem fließen die Rechtsgedanken der §§ 208, 309 BGB über die Auffangklausel des § 307 Abs. 2 BGB auch in die Vertragsverhältnisse ein, die nicht der Kontrolle nach §§ 308, 309 BGB unterliegen.
Rz. 29
Genereller Prüfungsmaßstab bei § 307 Abs. 1 und 2 BGB: Gemeinsam ist den Bestimmungen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung. Dabei legt Abs. 1 den grundlegenden Wertmaßstab für die Inhaltskontrolle fest, Abs. 2 konkretisiert ihn (in Grenzen) mit Blick auf die gesetzlichen Bestimmungen bzw. die Natur des Vertrags. Es ist jeweils eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, welche die widerstreitenden Interessen überindividuell zu einem angemessenen Ausgleich bringen soll.
Rz. 30
Die Unangemessenheit der Klausel kann sich dabei unter verschiedenen Blickwinkeln ergeben:
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Aus einem allgemeinen Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Inhaltskontrolle setzt beim Vergleich zum (dispositiven) Recht ohne die abweichende Vereinbarung an. Eine unangemessene Benachteiligung setzt voraus, dass eine Abweichung mit einigem Gewicht vorliegt. Eine solche Benachteiligung "wird durch den Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der Rechtsordnung indiziert". Will der Verwender mit der Klausel einseitig seine Interessen auf Kosten des Kunden durchsetzen, ohne dessen Belange angemessen zu berücksichtigen oder verdrängt gar dessen Belange unangemessen, ist von einem solchen Verstoß auszugehen. Dabei ist nicht nur die fragliche Klausel, sondern die Klausel im gesamten Vertragszusammenhang zu bewerten. Auch ist zu berücksichtigen, wer der "Adressat" der AGB ist, ein Verbraucher oder ein Unternehmen. Eine identische Formulierung kann je nach Kreis der Betroffenen noch angemessen, im anderen Fall unangemessen sein. |
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Stärker als Abs. 1 S. 1 knüpft § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB an die Abweichung von Grundgedanken des Rechts an, auch wenn dieses dispositiv ist. Allerdings enthält diese Bestimmung nur eine Vermutung für die Unangemessenheit; im Einzelfall kann trotz erheblichen Abweichens von den gesetzlichen Bestimmungen die Klausel wirksam sein. Wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung sind aus der Ordnungs- und Leitbildfunktion der (dispositiven) Gesetzesbestimmungen zu entnehmen. Ein "Verstoß" der Klausel "gegen das gesetzliche Leitbild führt im Zweifel zu deren Unwirksamkeit", anderes nur, wenn die Leitbildabweichung sachlich gerechtfertigt ist und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt wird. |
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§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB knüpft demgegenüber an die Natur des konkreten Vertrags an. Diese Bestimmung erhält vor allem für Verträge Bedeutung, für die ein gesetzlicher Vertragstyp fehlt. Wichtig ist diese Norm aber auch als Ansatzpunkt für die Verletzung wesentlicher Vertragspflichten (auch zu "Kardinalpflichten" vgl. Rdn 80) – und andere den "Vertragszweck" gefährdende Klauseln. Bei normierten Vertragstypen liegt i.d.R. gleichzeitig eine Unangemessenheit nach Abs. 2 Nr. 1 vor. Auch eine ganz erhebliche Erschwerung der Geltendmachung von Rechten oder Ansprüchen wird erfasst. |
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Die Unangemessenheit kann sich schließlich aus der Verstärkung einer Klausel durch eine andere ergeben (Summierungseffekt). Selbst wen... |