Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 28
Wie im Erkenntnisverfahren müssen auch in der Zwangsvollstreckung sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner parteifähig sein. Die Parteifähigkeit richtet sich nach der Rechtsfähigkeit (§ 50 ZPO), sodass natürliche und juristische Personen rechtsfähig und damit auch parteifähig sind. Darüber hinaus kann sich die Parteifähigkeit aus speziellen Vorschriften ergeben:
§ 124 HGB |
Offene Handelsgesellschaft (OHG) |
§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB |
Kommanditgesellschaft (KG) |
§ 10 ArbG |
Nicht rechtsfähige Organisationen des Arbeitsrechts (Gewerkschaften, da die Arbeitgeberverbände durchgängig zumindest als rechtsfähiger Verein eingetragen sind) |
§ 3 PartG |
Politische Parteien |
§ 7 PartGG |
Partnergesellschaften und Rechtsanwaltsgesellschaften |
Rz. 29
Hinweis
Durch das Gesetz zur Reform des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), welches zum 1.1.2024 in Kraft trat, ist nun durch § 705 Abs. 2 BGB ausdrücklich klargestellt, dass die BGB-Gesellschaft, die am Rechtsverkehr teilnimmt, rechtsfähig ist. Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Die BGB-Gesellschaft ist daher auch parteifähig. Damit wird eine Empfehlung des 71. Deutschen Juristentags aufgegriffen, die seit der Grundsatzentscheidung des BGH in der Rechtssache "ARGE Weißes Ross" ergangene Rechtsprechung über die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gesetzlich nachzuvollziehen. Für eine Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist gem. § 722 Abs. 1 BGB notwendige und hinreichende Voraussetzung ein gegen die Gesellschaft gerichteter Vollstreckungstitel.
Rz. 30
Aus einem gegen einen Gesellschafter gerichteten Titel kann nur in dessen Privatvermögen vollstreckt werden (§ 722 Abs. 2 BGB). Das gilt auch für den Fall, dass der Gläubiger einen Titel gegen sämtliche Gesellschafter erwirkt. Die bisherige Regelung des § 736 ZPO, die dieses ausreichen ließ, wurde zum 1.1.2024 aufgehoben. Ausgenommen sind Titel gegen alle Gesellschafter einer GbR, die bis zum 31.12.2023 erwirkt wurden: Sie genießen weiterhin vollstreckungsrechtlichen Bestand (§ 45 EGZPO) und verlieren ihre Wirkung erst nach Ablauf der dreißigjährigen Verjährungsfrist. Tritt vor der Zwangsvollstreckung ein neuer Gesellschafter ein, so haftet er auch für den vor seinem Eintritt begründeten Anspruch des Gläubigers gem. § 721a BGB.
Rz. 31
Hinweis
Für die Zwangsvollstreckung gegen die GbR besteht mit § 736 ZPO eine Erleichterung des Nachweises der Identität einer nachträglich in das Gesellschaftsregister eingetragenen GbR. Ist eine GbR in das Gesellschaftsregister eingetragen und soll die Zwangsvollstreckung aufgrund eines bereits für oder gegen die nicht registrierte Gesellschaft erwirkten Titels durchgeführt werden, so ist eine Umschreibung des Vollstreckungstitels nach § 736 ZPO nicht erforderlich. Voraussetzung ist
1. |
dass der in dem Vollstreckungstitel genannte Name mit dem im Gesellschaftsregister eingetragenen Namen und der im Vollstreckungstitel angegebene Sitz oder die angegebene Anschrift mit dem im Gesellschaftsregister angegebenen Sitz oder der Anschrift übereinstimmen sowie |
2. |
für den Fall, dass im Vollstreckungstitel zusätzlich zum Namen der Gesellschaft alle Gesellschafter aufgeführt sind, die im Vollstreckungstitel genannten Gesellschafter mit den Gesellschaftern der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft identisch sind. |
Bei einer nicht im Gesellschaftsregister eingetragenen GbR empfiehlt es sich daher, nur noch die GbR zu verklagen und auf eine Nennung der Gesellschafter zu verzichten.
Rz. 32
Vor Inkrafttreten des MoPeG konnte aus einer wirksam in eine Grundschuldurkunde aufgenommenen und im Grundbuch eingetragenen Unterwerfungserklärung der Gesellschafter einer GBR gemäß § 800 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück des Gesellschaftsvermögens betrieben werden. § 722 Abs. 1 BGB regelt nun aber ausdrücklich, dass für die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein gegen die Gesellschaft gerichteter Vollstreckungstitel Voraussetzung ist. Der Gläubiger muss sich daher einen Titel gegen die Gesellschaft beschaffen. Ein Titel gegen sämtliche Gesellschafter reicht nicht mehr aus.
Rz. 33
Ausländische juristische Personen sind parteifähig. Die Rechtsfähigkeit richtet sich nach dem Recht des jeweiligen Heimatlandes (Art. 7 EGBGB). Aufgrund des Urteils des EuGH hat der BGH die Rechtsfähigkeit von Ltd. bzw. B.V. anerkannt, sofern sie aus dem EU-Gebiet stammen. Die Rechtsprechung wurde im Folgenden auch auf Kapitalgesellschaften ausgedehnt, die nach dem Recht eines EFTA Staats gegründet wurden, auch wenn sie ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben.
Das in das Gesellschaftsvermögen vollstreckbare Urteil gegen alle Gesellschafter muss die Gesellschafter namentlich bezeichnen (§ 750 Abs. 1 ZPO), die der Gesellschaft bei Beginn der Zwangsvollstreckung angehören.
Rz. 34
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist ein rechtsfähiger Verband sui generis. Nach § 9a Abs. 1 S. 1 WEG kann die Gemeinschaft der Wohn...