Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 270
§ 750 ZPO erlaubt nur die Zwangsvollstreckung für und gegen die im Titel genannten Personen. Liegt bei einem der Personen eine Rechtsnachfolge vor – die auch bereits während des Titulierungsverfahrens eingetreten sein kann –, kann aus dem unveränderten Vollstreckungstitel nicht mehr vollstreckt werden.
Beispiel
Der Gläubiger tritt die Forderung an den neuen Gläubiger ab; der Schuldner verstirbt.
In diesen Fällen muss der Titel auf den Rechtsnachfolger umgeschrieben werden, § 727 ZPO. Man spricht deshalb auch von einer titelübertragenden Klausel. Eine Titelumschreibung ist möglich bei Urteilen (§ 704 Abs. 1 ZPO) und über § 795 ZPO auch für die anderen in der ZPO genannten Titel. Dazu gehören auch vorläufig vollstreckbare Titel. Die Möglichkeit der Titelumschreibung schließt das Rechtschutzbedürfnis für die Erhebung einer neuen Klage durch den neuen Gläubiger aus.
Rz. 271
Die Regelung des § 727 ZPO steht auch in unmittelbarem Zusammenhang zu den im Erkenntnisverfahren relevanten Regelungen der §§ 325 bis 327 ZPO und § 265 ZPO.
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Nach § 265 ZPO hat die Veräußerung der streitbefangenen Sachen nach Rechtshängigkeit auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsvorgänger des Erwerbers führt den Rechtsstreit nun als gesetzlicher Prozessstandschafter weiter. |
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Die §§ 325 bis 327 ZPO erstrecken dann folgerichtig die Rechtskraft der ergehenden Entscheidung auf den Rechtsnachfolger. |
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Als letztes Glied in dieser Kette bedarf es nun der §§ 727 bis 729 ZPO, damit der am Rechtsstreit nicht beteiligte Rechtsnachfolger gleichwohl die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betreiben kann oder damit diese gegen ihn betrieben werden kann. |
Dies gilt nach § 795 ZPO für die weiteren Zwangsvollstreckungstitel in entsprechender Weise. Darüber hinaus erfassen die §§ 727 ff. ZPO diejenigen Fälle, dass eine Rechtsnachfolge erst nach Titelerlass eintritt.
Rz. 272
Abstrakt formuliert ist Rechtsnachfolge auf der Gläubiger- oder der Schuldnerseite jeder Wechsel der im Urteil oder im sonstigen Vollstreckungstitel als Gläubiger oder Schuldner bezeichneten Person durch abgeleiteten Rechtserwerb, durch Rechtsgeschäft, Hoheitsakt oder kraft Gesetzes.
Rz. 273
Im Falle des Erwerbs eines Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren soll der gegen den Voreigentümer (Störer aus § 1004 BGB) erwirkte Titel nicht gegen den Neueigentümer umgeschrieben werden können. Anders aber, wenn der im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens abgeschlossene Vergleich zwischen Grundstücksnachbarn, der ein Tun oder Unterlassen regelt auf den Grundstückserwerber eines dieser Grundstücke nach § 727 Abs. 1 ZPO umgeschrieben werden soll. Für diesen Fall bejaht der BGH das Recht des Grunderwerbers den Titel auf sich umschreiben zu lassen, zumindest wenn bei Abschluss des Vergleichs die Veräußerung dem Schuldner bekannt war und die Abtretung der Rechte durch den ursprünglichen Grundstücksinhaber auf den Erwerber in notarieller Form erfolgt ist. Auch eine Teilrechtsnachfolge ist denkbar.
Rz. 274
Checkliste: Fälle der Rechtsnachfolge gemäß § 727 ZPO
In folgenden (exemplarischen) Fällen liegt eine Rechtsnachfolge im Sinne des § 727 ZPO vor, dementsprechend ist eine Titelumschreibung notwendig:
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Bei Erbschaft tritt auf Gläubigerseite gemäß § 1942 BGB die Rechtsnachfolge schon vor der Annahme durch den Erben ein. Im Falle von Miterben ist die Klausel wegen §§ 2032, 2039 BGB allen Miterben gemeinsam zu erteilen. Auf Schuldnerseite tritt die Rechtsfolge bei Annahme der Erbschaft bzw. Ablauf der Ausschlagsfrist ein. HinweisDer Gläubiger kann insoweit nach §§ 13, 357 FamFG eine beglaubigte Abschrift des Erbscheins erlangen oder – wenn ein solcher noch nicht erteilt wurde – nach § 792 ZPO den Erbscheinsantrag auch selbst stellen. Im Einzelfall kann allerdings nach § 779 ZPO auch die Vollstreckung in den Nachlass fortgesetzt werden oder aber die Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB beantragt werden. |
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Bei Kapitalgesellschaften tritt die Rechtsnachfolge ein bei Verschmelzung nach §§ 2 ff. UmwG, §§ 339 ff. AktG. |
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Abtretung des Anspruches ist ein Fall der Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite, sie muss nach Rechtshängigkeit erfolgt sein. HinweisDer Titelgläubiger behält trotz Abtretung die Legitimation, den Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, wenn er aufgrund einer Einziehungsermächtigung materiell weiterhin befugt bleibt, Leistung an sich zu verlangen. Bei einer sog. stillen Sicherungsabtretung ergibt sich dies grundsätzlich konkludent aus der Sicherungsabrede. Bei offengelegten Abtretungen mit ausdrücklicher Einziehungsermächtigung für den Zedenten gilt dies erst recht. |
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Im Falle des Eintritts eines neuen Gläubigers in den Sicherungsvertrag der Grundschuld muss im Klauselerteilungsverfahren die für die Titelumschreibung zuständige Stelle von Amts wegen prüfen, ob der neue Grundschuldinhaber den Eintritt in den Sicherungsvertrag i.S. des § 727 Abs. 1 ZPO nachgewiesen hat. |
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Gesetzlicher Forderungsübergang nach §§ 412... |