Rz. 124
Während bei der Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 VV RVG für bestimmte Güte- und Schlichtungsverfahren ein fester Gebührensatz vorgesehen ist, handelt es sich bei den Geschäftsgebühren nach Nrn. 2300 und 2302 VV RVG um Rahmengebühren.
a) § 14 RVG
Rz. 125
Nach § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem
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des Umfangs und |
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der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit (tatsächlich oder rechtlich), |
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der Bedeutung der Angelegenheit sowie |
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der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, |
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des Haftungsrisiko bei wertunabhängigen Gebühren, besonderes Haftungsrisiko bei Wertgebühren. |
Die Berücksichtigung eines besonderen Haftungsrisikos kommt vor allem in Betracht, wenn der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit aus sozialpolitischen Erwägungen begrenzt wurde, wie beispielsweise in arbeitsrechtlichen Bestandsstreitigkeiten nach § 42 Abs. 2 GKG, und sich das Haftungsrisiko nicht mehr adäquat in der Höhe der Gebühren widerspiegelt.
Im Falle einer Anrechnung von Rahmengebühren aufeinander ist zu beachten, dass die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen ist, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen, § 14 Abs. 2 RVG.
Rz. 126
Auch wenn der Anwalt keine Stundenabrechnung vornimmt, ist zu empfehlen, ein Zeitjournal in der Akte zu führen. Nach Beendigung der über einen längeren Zeitraum bearbeiteten Angelegenheit lässt sich zwar gefühlsmäßig sagen, ob die Sache umfangreich war. Kann man dies anhand von Tatsachen jedoch nachvollziehen und ggf. auch konkret darlegen, lässt sich bei Ansatz einer höheren Geschäftsgebühr der pauschale Einwand eines nur durchschnittlichen Umfangs schnell widerlegen.
Wegen der Einzelheiten zu den jeweiligen Kriterien soll hier auf die Kommentierungen verwiesen werden.
Rz. 127
Die Gebühr ist durch den Rechtsanwalt in jedem Einzelfall nach Ermessen zu bestimmen. In der Praxis ist dabei häufig zu beobachten, dass sich der Einfachheit halber ein gewisser Automatismus auf Ansatz einer 1,3-Gebühr ohne jegliche Begründung eingestellt hat. Der Anwalt sollte sein Ermessen aber auch tatsächlich im Einzelfall ausüben. Andernfalls führt dies dazu, dass nicht selten einiges an Gebühren verschenkt wird. Auf der anderen Seite kann die Gebühr aber auch in einigen Fällen insbesondere bei vorzeitiger Beendigung zu hoch sein. Es handelt sich um einen Rahmen, der sowohl nach oben aber auch nach unten ausgeschöpft werden soll. Um die Ausübung des Ermessens für den Rechnungsempfänger nachvollziehbar zu machen, sollte in der Rechnung kurz auf die Bestimmung im Einzelfall eingegangen werden.
b) Toleranzrechtsprechung
Rz. 128
Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Die Rechtsprechung billigt dem Anwalt bei Festlegung der konkreten Rahmengebühr aber einen Ermessensspielraum zu. Bewegt sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 %, sei die Gebühr nicht unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen.
c) Schwellenwert
Rz. 129
Die Anmerkungen zu Nrn. 2300 und 2302 VV RVG regeln, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 bzw. 359 EUR nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Dabei reicht es, wenn eines der beiden Merkmale gegeben ist, sie müssen nicht kumulativ vorliegen. Diese Werte liegen unter der Mittelgebühr, die normalerweise dann anzusetzen wäre, wenn alle Kriterien durchschnittlich wären.
Rz. 130
Bei mehreren Auftraggebern findet die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG auch auf den Schwellenwert Anwendung, da diese sonst ins Leere laufen würde.
Rz. 131
Die Toleranzrechtsprechung führte bei einigen zu der Idee, immer eine 1,5-Geschäftsgebühr anzusetzen, da damit die 20 % nicht überschritten wurden. Nachdem der BGH für einige Zeit etwas Verwirrung gestiftet hatte und sich der Gesetzgeber schon veranlasst sah einzugreifen, ist inzwischen auch höchstrichterlich (abschließend) geklärt, dass die Toleranzgrenze bei der Schwellengebühr nicht gilt. Eine Erhöhung der Schwellengebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist der gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen Umfang und Schwierigkeit für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 nicht entzogen. Spätestens wenn der Anwalt über die 1,3-Gebühr hinausgehen will, muss er daher die Bemessung und das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen darlegen, insbesondere da sich der Umfang und die Schwierigkeit nicht nur aus Tätigkeiten ergibt, die ohne Weiteres nach außen sichtbar sind.