Rz. 78
Wurde keine Vereinbarung getroffen, richten sich die Gebühren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Hier taucht das erste große Problem auf. Nach § 612 Abs. 2 BGB ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Es gilt daher das marktübliche Beratungshonorar, das ein Anwalt unter vergleichbaren Umständen (Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit, Spezialisierung und Erfahrung, Größe der Kanzlei, Standort etc.) "üblicherweise" verlangt. Einen wirklich praktikablen Vorschlag, wie das übliche Honorar zu bestimmen ist, gibt es jedoch nicht. Hinreichende empirische Erhebungen existieren nicht. Und auch die hilfsweise Abrechnung nach dem Gegenstandswert analog der alten Beratungsgebühr nach Nr. 2100 VV RVG a.F. scheidet nach überwiegender Auffassung aufgrund der langen Übergangszeit aus.
1. Deckelung bei Verbraucher
Rz. 79
Während man bei einem Unternehmer durch Ansatz eines angemessenen Stundensatzes möglicherweise noch zu einer adäquaten Lösung gelangen kann, stößt dies bei der Vertretung eines Verbrauchers schnell an seine Grenzen. Besonders prägnant sind hier vor allem die Situationen, in denen der Anwalt mehrere Stunden in die Beratung investiert oder es sich um hohe Gegenstandswerte mit erheblichem Haftungsrisiko handelt. Denn § 34 RVG sieht eine Deckelung der Vergütung für die Beratung auf 250 EUR vor, für ein erstes Beratungsgespräch auf 190 EUR. Diese Deckelung gilt nicht bei der Vertretung eines Unternehmers und selbstverständlich auch nicht für eine vereinbarte Vergütung.
Wer Verbraucher ist, richtet sich dabei nach § 13 BGB. Die Erstberatung ist nach der Definition des BGH eine pauschale, überschlägige Einstiegsberatung. Dazu gehöre nicht, dass sich der Rechtsanwalt erst sachkundig macht oder dass er die Erstberatung schriftlich zusammenfasst. Der Höchstbetrag von 250 EUR greift unabhängig von der Anzahl und dem Umfang der Beratungsgespräche, da in der gleichen Angelegenheit auch mehrere Beratungen mit ggf. mehreren Gesprächsterminen nur eine Beratungsgebühr auslösen. Auch hier zeigt sich wieder die grundlegende Bedeutung der Angelegenheitsbegrifflichkeit. Denn handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten, kann der Anwalt die Gebühr für die Beratung mehrfach verlangen. Da auch hier die Abgrenzung äußerst schwierig ist, sollte eine Vereinbarung getroffen werden.
Rz. 80
Einige Anwälte rechnen ohne entsprechende Vereinbarung für die Erstberatung grundsätzlich 190 EUR ab. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich nicht um Festbeträge, sondern um eine Kappungsgrenze handelt und die Gebühr im Einzelfall nach § 14 Abs. 1 RVG zu bestimmen ist.
2. Billigkeit
Rz. 81
Wurde keine Gebühr vereinbart, ist diese unter Berücksichtigung der Obergrenze nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG zu bestimmen, auf den ausdrücklich verwiesen wird. Der Anwalt hat daher die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das Haftungsrisiko ist dabei ebenfalls zu berücksichtigen. Dies führt in verschiedenen Richtungen zu Problemen. Bei entsprechendem Umfang, Schwierigkeit oder Bedeutung der Sache kann aufgrund der Deckelung ohne Vereinbarung keine angemessene Vergütung erlangt werden.
Aber auch bei geringen Gegenstandswerten kann der Anwalt in die Falle tappen. Obwohl dieser nach § 14 RVG allenfalls über die Bedeutung der Sache und die Abwägung im Einzelfall Eingang in die Bemessung findet, da eine Abrechnung der Beratung nach Gegenstandswert seit 2006 gesetzlich gerade nicht mehr vorgesehen ist, hat das AG Stuttgart in einer im Schrifttum stark kritisierten Entscheidung die Auffassung vertreten, dass eine anwaltliche Gebührenbestimmung für die gegenüber einem Verbraucher entstandenen Vergütungsansprüche einer Erstberatung nicht der Billigkeit entspreche, wenn sie rein zeitabhängig und ohne Berücksichtigung des Gegenstandswerts erfolge. Die angemessene Gebühr sei daher in Anlehnung an den Gebührentatbestand der Nr. 2100 VV RVG (in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung) zu bestimmen, da auf eine Verknüpfung der Gebührenhöhe mit dem Streitwert nicht verzichtet werden könne. Dem Anwalt wurden danach 48,20 EUR zugesprochen. Ob eine solche Rechtsauffassung angesichts des Wortlauts der Regelung auch vor den Obergerichten Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Dennoch sollte der Anwalt sie als mahnendes Beispiel im Kopf behalten und auch hier den sichersten Weg des Abschlusses einer – nachweisbaren – Gebührenvereinbarung gehen. Denn auch den Grundsatz des BGH, wonach der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber zwar grundsätzlich keinen Hinweis auf die Höhe der anfallenden Gebühren erteilen muss, sich a...