Rz. 144
Die Verfahrensgebühr gehört zu den Kosten des Rechtsstreits und kann daher grundsätzlich im Rahmen der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden. In der Praxis treten jedoch insbesondere in Rechtsmittelverfahren immer wieder Probleme bei der Festsetzung der Gebühren des Beklagtenvertreters auf, obwohl die grundlegenden Fragen durch die Rechtsprechung weitestgehend geklärt sind. Die Differenzen haben zum einen ihre Ursachen darin, dass nach § 91 ZPO nur notwendige Kosten erstattet werden, zum anderen, dass das Entstehen der Verfahrensgebühr keine nach außen sichtbare Tätigkeit voraussetzt und bei der Abrechnung meist nicht dargelegt wird.
Bei Streitigkeiten ist daher immer zu klären, ob es dem Grunde nach um die Frage des Entstehens der Gebühr oder ihre Erstattungsfähigkeit geht, um dann gezielt vorzutragen.
1. Entstehen der Gebühr
Rz. 145
Die volle Verfahrensgebühr ist unproblematisch und nachweisbar angefallen, wenn der Anwalt nach Auftrag des Mandanten die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt oder einen Schriftsatz mit Sachvortrag einreicht. Die Vertretungsanzeige oder Anzeige der Verteidigungsabsicht löst im Rechtsmittelverfahren hingegen zunächst nur eine 1,1-Verfahrensgebühr aus.
Das erste Problem taucht dann auf, wenn das Rechtsmittel zurückgenommen wird, bevor ein Schriftsatz des Rechtsmittelgegners bei Gericht eingeht. Hat der Rechtsmittelführer die Kosten zu tragen, erhebt er oft Einwände gegen die Geltendmachung einer auch reduzierten Verfahrensgebühr. Dabei wird vergessen, dass die Verfahrensgebühr in reduzierter Höhe zwar noch nicht für die Empfangnahme der Rechtsmittelschrift und Weiterleitung an den Auftraggeber entsteht, § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG. Es reicht jedoch aus, dass der Anwalt nach Auftragserteilung die Sache mit dem Mandanten bespricht, eines Auftretens nach außen bedarf es hierfür nicht. In diesem Fall sollte allerdings bereits im Kostenfestsetzungsantrag das Vorliegen der Voraussetzungen für das Entstehen der Verfahrensgebühr dargelegt werden, da es sich aus den Gerichtsakten und für den Gegner nicht ergibt.
2. Notwendigkeit der Kosten
Rz. 146
Die Festsetzung entstandener Kosten setzt aber auch voraus, dass diese i.S.v. § 91 ZPO notwendig waren. Bei der Einlegung eines nur fristwahrenden, noch unbegründeten Rechtsmittels wird, insbesondere bei Hinweis auf die nur vorsorgliche Einlegung, seitens des Rechtsmittelführers die Notwendigkeit der Kosten eines Anwalts oft bestritten. Die ständige Rechtsprechung sowohl des BGH als auch der Untergerichte ist hier jedoch eindeutig. Selbst wenn noch unsicher ist, ob ein Rechtsmittel durchgeführt wird und die Beauftragung eines Anwalts zu diesem Zeitpunkt daher objektiv nicht erforderlich ist, sind die Kosten grundsätzlich dennoch erstattungsfähig, weil der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer von ihm als risikohaft empfundenen Situation für erforderlich halten darf. Der Anwalt des Rechtsmittelführers sollte seinen Mandanten auf dieses Risiko hinweisen.
Rz. 147
Ist die Frage der Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach geklärt, kommt noch die nach der Höhe hinzu. Hat der Anwalt nach Einlegung des Rechtsmittels einen Zurückweisungsantrag gestellt oder einen Schriftsatz mit Sachvortrag eingereicht, ist die Verfahrensgebühr in voller Höhe angefallen. Allerdings besteht im Normalfall kein Anlass für den Rechtsmittelgegner, mit der Vertretungsanzeige seines Verfahrensbevollmächtigten zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels zu stellen bzw. anzukündigen, und zwar unabhängig davon, ob das Rechtsmittel ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt wurde oder nicht.
Wird daher das Rechtsmittel nicht mehr begründet, ist nur eine reduzierte Verfahrensgebühr erstattungsfähig. Eine Ausnahme hat das OLG Frankfurt für den Fall gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte zu verfahrensrechtlichen Problemen Stellung genommen hat. Hier wurde dennoch die volle 1,6-Verfahrensgebühr als erstattungsfähig angesehen. Wird das Rechtsmittel später begründet, ist für die Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr hingegen nicht entscheidend, ob der Zurückweisungsantrag verfrüht vor der Begründung oder erst danach gestellt wurde. Nach dem BGH kommt es auf die zeitliche Reihenfolge nicht an, da es unnötige Förmelei wäre, nach Rechtsmittelbegründung einen erneuten Zurückweisungsantrag zu stellen. Auch die Art der Verfahrensbeendigung spielt dabei keine Rolle. Geht hingegen dem Berufungsbeklagten die Berufungsbegründung erst zusammen mit der abschließenden Entscheidung über das Rechtsmittel zu, soll nach OLG Celle kein Erstattungsanspruch auf die volle 1,6-Verfahrensgebühr, sondern lediglich eine 1,1-Gebühr bestehen. Unschädlich für die Erstattungsfähigkeit ist es auch, wenn der die volle Verfahrensgebühr auslösende Schriftsatz in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von einer bereits erfolgten Rechtsmittelrücknahme eingereicht wird.
Rz. 148
Praxistipp
Um das Kostenrisiko für den Mandanten einzuschätzen, aber auch keine Gebühren zu verschenken, sollte der Anwalt zusammenfassen...