Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 14
Nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung wirksam nur innerhalb von zwei Wochen erklärt werden. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB gilt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 S. 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte (vgl. oben Rdn 13) von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. § 626 Abs. 2 BGB ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Ziel des § 626 Abs. 2 BGB ist es, dem – hier – betroffenen Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt.
Rz. 15
Der Kündigungsberechtigte muss die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt haben. Sind mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt die Kenntnis eines Gesamtvertreters.
Rz. 16
Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat und ihm deshalb die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Auch grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung. Nur ausnahmsweise muss sich nach der Rechtsprechung des BAG der Arbeitgeber die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt – der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet – so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-)Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter in einer ähnlich selbstständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Auf die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB kann sich der Arbeitgeber nach § 242 BGB nicht berufen, wenn er zielgerichtet verhindert hat, dass eine für ihn kündigungsberechtigte Person bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangte, oder sonst eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass sich die spätere Kenntniserlangung einer kündigungsberechtigten Person als unredlich darstellt. Die Kenntnis nicht zur Kündigung berechtigter Personen ist grundsätzlich unbeachtlich, eine Zurechnung der Kenntnis nach § 166 Abs. 1 BGB analog erfolgt selbst bei Personen mit Vorgesetzten- oder Aufsichtsfunktion nicht.
Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ohne eine umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Es genügt nicht allein die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses, d.h. des "Vorfalls", der einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen soll. Bei einer vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung gehören auch solche Aspekte zum Kündigungssachverhalt, die für den Arbeitnehmer und gegen die Kündigung sprechen. Außerdem gehört es zu den vom Kündigungsberechtigten zu ergründenden maßgeblichen Umständen, mögliche Beweismittel für eine ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern.
Rz. 17
Der Arbeitgeber muss allerdings nach Kenntnis vom Kündigungssachverhalt mit der gebotenen Eile vorgehen: Weiß er, dass – aus seiner Sicht – ein Kündigungsgrund vorliegt und dass er kündigen kann, muss er innerhalb der Zweiwochenfrist entscheiden, ob er kündigen will und ggf. die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklären. Ab Kenntnis vom Kündigungsgrund ist der Arbeitgeber "Herr der Lage". Deshalb ist es angemessen, dass die Frist nur dann noch gehemmt wird, wenn der Arbeitgeber ohne Fahrlässigkeit an ihrer Einhaltung gehindert wird. Dabei sollen die zeitlichen Grenzen des § 626 Abs. 2 BGB den Arbeitgeber weder zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben noch ihn veranlassen, ohne eine genügende Prüfung des Sachverhalts oder vorhandener Beweismittel voreilig zu kündigen. Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an. Dies gilt nur so lange, wie der Kündigungsberechtigte aus verständlichen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine weitere, umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts und der notwendigen Beweismittel verschaffen ...