Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 25
Für die außerordentliche Kündigung ist ein "wichtiger Grund" erforderlich. Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe. Ein gemäß § 626 Abs. 1 BGB wichtiger Grund zur Kündigung kann auch in einer schuldhaften Verletzung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten liegen. Eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers besteht darin, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Aus ihr leitet sich die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers ab, den Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren unaufgefordert und rechtzeitig über Umstände zu informieren, die einer Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen. Wird der Arbeitnehmer in Untersuchungshaft genommen, ist er deshalb gehalten, dem Arbeitgeber diesen Umstand unverzüglich anzuzeigen und ihn – im Rahmen des Möglichen – über die voraussichtliche Haftdauer in Kenntnis zu setzen. Aus dem berechtigten Planungsinteresse des Arbeitgebers kann sich zudem die Pflicht des Arbeitnehmers ergeben, über anstehende Haftprüfungstermine Auskunft zu geben. Ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Mitteilungspflichten ist nicht ohne weiteres geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Eine fristlose Kündigung kommt regelmäßig erst dann in Betracht, wenn das Gewicht der Pflichtverletzung durch besondere Umstände erheblich verstärkt wird. Diese können etwa darin liegen, dass der Arbeitnehmer seine Pflichten beharrlich verletzt oder durch sein Verhalten anderweitig deutlich macht, dass er auch in Zukunft nicht bereit sein werde, ihnen nachzukommen.
Rz. 26
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn objektive Tatsachen das Arbeitsverhältnis schwerwiegend belasten. Es kann sich um Vertragsverletzungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich, im Vertrauensbereich und im Unternehmensbereich handeln. Da der in § 626 Abs. 1 BGB verwendete Begriff des wichtigen Grundes ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, kann seine Anwendung durch die Tatsachengerichte im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm Denkansätze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat. Ebenfalls ist die Prüfung, ob aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, weitgehend Aufgabe der Tatsacheninstanz und unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfung.
Rz. 27
Die Prüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung erfolgt zweistufig:
Im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Alsdann sind – in einer zweiten Stufe – bei der erforderlichen Interessenabwägung (vgl. dazu unten Rdn 28 f.) alle in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles darauf zu überprüfen, ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.