Rz. 35
Gem. Art. 14 Abs. 1 Rom II können die Parteien auch nach dem Unfall vereinbaren, welches sachliche Recht zur Anwendung gelangen soll. Diese Vereinbarung geht den oben genannten Vorschriften vor, lässt den Übergang von Ansprüchen auf Dritte allerdings unberührt. Kann so eine Vereinbarung außergerichtlich nicht erzielt werden, mag es sich unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie anbieten, eine derartige Verständigung im Prozess im Hinblick auf die Anwendung des materiellen Rechts des angerufenen Gerichts im Inland zu erzielen.
Rz. 36
Muster 2.12: Anregung zu einer Vereinbarung über die Anwendung des materiellen Rechts
Muster 2.12: Anregung zu einer Vereinbarung über die Anwendung des materiellen Rechts
Wir regen an, dass eine Verständigung über die Anwendung des materiellen _________________________ Rechts nach Art. 14 Rom II erfolgt. Sollte dagegen vorliegend das ausländische Recht des Unfallorts zur Anwendung gelangen, wäre ggf. die Einholung eines Rechtsgutachtens geboten, welches Kosten in einer Höhe veranlassen würde, die im Bereich von mehreren Tausend EUR liegen und den hiesigen Streitwert weit übersteigen würden. Zudem wäre mit einer erheblichen Verzögerung des Rechtsstreits zu rechnen. Eine Verständigung über die Anwendung des materiellen Rechts des angerufenen Gerichts dürfte unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie vorzugswürdig sein.
Rz. 37
Es ergibt sich also folgende Prüfungsreihenfolge:
Maßgeblich ist nach Art. 4 Abs. 1 Rom II in erster Linie das sachliche Recht des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist, es sei denn, es greift eine der nachfolgenden Ausnahmen in folgender Reihenfolge ein:
Einen Sonderfall stellt die Prüfung dar, ob die Grundsätze des Anscheinsbeweises zum Tragen kommen, die nicht in jeder Rechtsordnung anerkannt sind.
Rz. 38
Muster 2.13: Keine Anwendung des Anscheinsbeweises nach den Regeln der ZPO
Muster 2.13: Keine Anwendung des Anscheinsbeweises nach den Regeln der ZPO
Das erkennende Gericht hat gem. Art. 22 Abs. 1 Rom-II-VO die Beweislastregelungen und gesetzlichen Vermutungen des ausländischen Rechts zu beachten, auch wenn diese in der ausländischen ZPO geregelt sind. Durch den autonom auszulegenden Art. 22 Abs. 1 Rom-II-VO sind Beweislastregeln als materiell-rechtliche Vorschrift anzusehen, auch wenn deren Rechtsnatur im nationalen Recht als prozessrechtlich angesehen wird (AG Geldern, Urt. v. 27.10.2010 – 4 C 356/10 – juris). Gem. Art. 22 Abs. 1 Fall 2 Rom-II-VO hat das erkennende Gericht nicht nur die gesetzlich festgeschriebenen Beweislastregeln des ausländischen Rechts anzuwenden, sondern auch die in der dortigen Rechtspraxis aufgestellten tatsächlichen Vermutungen, auf die die Rechtsprechung aufgrund der Lebenserfahrung einen Anscheinsbeweis gründet. Wendet ein deutsches Gericht ausländisches Recht an, hat es dabei nicht nur den Gesetzeswortlaut zu beachten, sondern auch die Rechtswirklichkeit dieser Vorschriften, die sich insbesondere aus deren Anwendung in der ausländischen Rechtsprechung ergibt.
Es gilt zu der Prüfung, ob die Grundsätze des Anscheinsbeweises Anwendung finden, mithin das Recht des Staates _________________________. Danach gelten folgende Grundsätze: _________________________.
Diese Ansicht ist aber umstritten. Es lässt sich auch mit dem nachfolgenden Muster das genaue Gegenteil vertreten.
Rz. 39
Muster 2.14: Anwendung des Anscheinsbeweises nach den Regeln der ZPO
Muster 2.14: Anwendung des Anscheinsbeweises nach den Regeln der ZPO
Der nach deutschem Recht anerkannte Anscheinsbeweis bei einem Unfall – so z.B. im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich – gilt auch bei Anwendung ausländischen Verkehrsrechts (LG Saarbrücken, Urt. v. 25.6.2015 – 13 S 5/15 – juris mit Hinweis auf BGH, Urt. v. 4.10.1984 – I ZR 112/82). Die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises bestimmt sich in Verfahren mit internationalem Bezug nicht nach dem ausländischen Sachrecht (lex causae), sondern nach den Regeln des deutschen Zivilprozessrechts als dem Recht am Ort des angerufenen Gerichts (lex fori) (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.1984 – I ZR 112/82 = NJW 1985, 554; LG Saarbrücken, Urt. v. 11.5.2015 – 13 S 21/15 = NJW 2015, 2823; LG Saarbrücken, Urt. v. 13.2.2015 – 13 S 203/15). Dies wird zutreffend damit begründet, dass es sich beim Anscheinsbeweis um eine Beweiswürdigungsregel handelt, mithin um eine Norm des Verfahrensrechts, die den Richter berechtigt und verpflichtet, die durch Erfahrungssätze begründete Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer behaupteten Tatsache zur Überzeugungsbildung und damit zum Beweis ausreichen zu lassen.
Danach gelten folgen...