Dr. Nicolai Besgen, Thomas Prinz
Rz. 130
Diese Grundsätze lassen sich grundsätzlich auf die Nutzung moderner Kommunikationseinrichtungen übertragen.
Das schließt den Versand von Gewerkschaftswerbung an betriebliche E-Mail-Adressen nicht aus. Das BAG hat erneut festgehalten, dass die Entscheidung der Koalition, in welcher Art und Weise sie Werbung betreiben und Dritte über ihre Aktivitäten informieren will, zu der von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit gehört. Im Jahr 2009 hat das BAG entschieden, dass eine tarifzuständige Gewerkschaft aufgrund ihrer verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit grundsätzlich berechtigt ist, E-Mails zu Werbezwecken auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers und Aufforderung durch die Arbeitnehmer an die betrieblichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten zu versenden. Dies gelte auch bei einem Verbot der privaten E-Mail-Nutzung. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Arbeitgebers und sein von Art. 2 Abs. 1 GG erfasstes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hätten gegenüber der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit zurückzutreten, solange der E-Mail-Versand nicht zu nennenswerten Betriebsablaufstörungen oder spürbaren, der Gewerkschaft zuzurechnenden Belastungen führt. Der Arbeitgeber muss daher im Einzelfall Störungen des Betriebsfriedens und messbare wirtschaftliche Nachteile darlegen, wenn er die Gewerkschaftswerbung abwenden möchte.
Rz. 131
Das BAG differenziert jedoch zwischen den E-Mail-Adressen der Mitglieder der Gewerkschaften und der Nichtmitglieder. In dem Versenden nicht angeforderter E-Mails liegt ein Eingriff in das Recht der Arbeitnehmer auf ihre informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und deren negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG.
Rz. 132
Kein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt vor, wenn die Arbeitnehmer der Verwendung der E-Mail-Adressen nach Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. a DSGVO zugestimmt haben. Bezüglich der E-Mail-Adressen von Gewerkschaftsmitgliedern müsse laut BAG nicht zwangsläufig eine Einwilligung vorliegen. Hier ist damit die Datennutzung auch nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO zur Erfüllung der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses zulässig. Bei Nichtmitgliedern ohne vertragliche Bindung zu den Gewerkschaften müsste die Einwilligung vorab eingeholt werden. Dieses Erfordernis entfällt nur, wenn die Nichtmitglieder eigenständig ihre E-Mail-Adressen der Gewerkschaft mitgeteilt haben. Hat die Gewerkschaft die Adressen jedoch über Dritte zugeleitet bekommen oder sich selbst zusammengestellt, muss vor der Benutzung die Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer eingeholt werden.
Rz. 133
In Analogie zu § 2 Abs. 2 BetrVG ist im Einzelfall zu prüfen, ob es durch die E-Mail-Nutzung zu Störungen im Betriebsablauf oder des Betriebsfriedens kommt. Als verfahrensmäßige Absicherung bietet sich eine vorherige Anzeige der Gewerkschaft an den Arbeitgeber an, wenn sie die E-Mail zu Werbezwecken nutzen will. Hierdurch wird auch eine gerichtliche Kontrolle für die Arbeitgeber- wie die Gewerkschaftsseite eröffnet. Im Arbeitskampf scheidet eine E-Mail-Nutzung durch die Gewerkschaft aus. Unter dem Aspekt der Arbeitskampfparität ist es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, die Gewerkschaft von den Kosten etwa eines Streikaufrufes zu entlasten.
Rz. 134
Die Abwägung des Eigentumsrechts des Arbeitgebers aus Art. 14 GG und des Rechts auf Vereinigungsfreiheit der Gewerkschaften aus Art. 9 Abs. 3 GG ergibt dagegen beispielsweise kein Recht einer Gewerkschaft, auf das Netzwerk des Arbeitgebers, z.B. das Intranet zuzugreifen und dieses für Gewerkschaftswerbung zu nutzen oder um eine Homepage im betriebseigenen Intranet einzurichten. Vor diesem Hintergrund ist auch die Einrichtung eines Links von der Betriebsrats-Homepage auf eine Gewerkschaftsseite unzulässig.
Im Gegensatz zur Anbringung eines Anschlags am Schwarzen Brett entstehen bei der Aufnahme einer gewerkschaftlichen Homepage Kosten durch die Bereitstellung von Speicherkapazitäten und die Pflege der Seite. Für eine solche einseitige Belastung des Arbeitgebers ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich.
Rz. 135
Das gilt grundsätzlich auch, wenn es um den Zugang zu den Kommunikationseinrichtungen durch ein betriebsangehöriges Gewerkschaftsmitglied geht. Nach der Rechtsprechung liegt zwar nicht automatisch ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten vor, wenn ein Arbeitnehmer von zu Hause E-Mails mit Gewerkschaftswerbung an die Arbeitsplätze von Kollegen verschickt. Diese Beurteilung beruhte aber darauf, dass der beklagte Arbeitgeber in der vom klagenden Arbeitnehmer angegriffenen Abmahnung die behauptete Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten nicht näher spezifiziert hat. Er hat z.B. nicht auf die unbefugte oder missbräuchliche Nutzung der E-Mail und Internet-Firmeneinrichtungen für nichtgeschäftliche Zwecke abgestellt. Eine Pflichtverletzung liegt selbstverständlich dann vor, wenn der Arbeitnehm...