Rz. 131
Bei der unechten Auslandsgesellschaft (Scheinauslandsgesellschaft) hat die Umqualifizierung auch Folgen für die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft.
Rz. 132
Eine englische private limited company wird grundsätzlich durch die directors vertreten. Fremdorganschaft ist dabei zulässig. Mehrere directors sind grundsätzlich gemeinsam zur Vertretung berechtigt, sofern die Gesellschafter nichts anderes regeln. Die Möglichkeit einer generellen Erlaubnis von Insichgeschäften (§ 181 BGB) ist gesetzlich nicht vorgesehen. Bei einer deutschen offenen Handelsgesellschaft ist dagegen jeder Gesellschafter grundsätzlich einzeln zur Vertretung berechtigt (§§ 115, 125 HGB, anders aber bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 709, 714 BGB). Eine organschaftliche Vertretung durch Nicht-Gesellschafter ist bei deutschen Personengesellschaften unzulässig. Es gilt der Grundsatz der Selbstorganschaft.
Rz. 133
Die unterschiedlichen Regeln zur Vertretung im deutschen und englischen Gesellschaftsrecht lassen sich noch einigermaßen miteinander in Einklang bringen, wenn bei der englischen Limited ein Gesellschafter zum director bestellt ist. Die Vertretungsbefugnis für die englische private limited company wird dann im Zweifel auch für die deutsche Personengesellschaft gelten. Die rechtliche Begründung ist aber selbst in diesem Fall alles andere als einfach und weitgehend ungeklärt. In Betracht kommt u.a. die Auslegung des englischen Gesellschafterbeschlusses über die Bestellung zum director, die Erteilung einer konkludenten, rechtsgeschäftlichen Vollmacht, die Anwendung der Grundsätze der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht oder der Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der Vertretungsmacht (siehe Art. 12 EGBGB, § 15 HGB).
Rz. 134
Erheblich schwieriger ist die Rechtslage dann, wenn die Gesellschaft von mehreren Personen vertreten wird. Dann stellt sich insbesondere die Frage, ob eine etwaige Einzelvertretungsbefugnis bei der englischen private limited company auch bei der deutschen Personengesellschaft fortwirkt.
Der BGH hat in seiner Trabrennbahn-Entscheidung angedeutet, dass die in den Statuten einer Schweizerischen Aktiengesellschaft vorgesehene Einzelvertretungsbefugnis als abweichende Regelung der Vertretungsbefugnis der deutschen Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen ist. Auf eine englische private limited company kann diese Entscheidung nicht ohne Weiteres übertragen werden, da der Gesellschaftsvertrag bzw. der Bestellungsbeschluss (anders als in der Schweiz) aus dem englischen Handelsregister (Companies House) nicht ersichtlich sind.
Rz. 135
Besonders schwierig ist die Rechtslage schließlich dann, wenn bei der englischen private limited company ein Nicht-Gesellschafter zum vertretungsberechtigten director bestellt worden ist. Der Grundsatz der Selbstorganschaft verbietet grundsätzlich die organschaftliche Vertretung einer deutschen Personengesellschaft durch einen Nicht-Gesellschafter. Möglicherweise kommt eine Umdeutung in eine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis in Betracht.
Rz. 136
Bei allen Umdeutungs- und Auslegungsüberlegungen ist aber stets zu berücksichtigen, dass der mutmaßliche Wille der Gesellschafter gerade nicht auf die Begründung einer persönlichen Haftung gerichtet ist.
Rz. 137
In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Reichweite der Vertretungsbefugnis der directors von englischen private limited companies in keiner Weise gesichert ist. Die handelnden Personen sollten daher (schon zur Vermeidung einer etwaigen persönlichen Haftung, siehe § 179 BGB) nicht ohne Gesellschafterbeschluss bzw. Vollmacht handeln.
Rz. 138
Die Geschäftspartner von englischen private limited companies sollten die Vertretungsbefugnis stets sorgfältig prüfen und sich entsprechend nachweisen lassen. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Verwaltungssitz für Dritte in der Regel nur schwer erkennbar ist. Der Schutz des guten Glaubens (nach § 15 HGB) gilt insoweit nicht, da es im Vereinigten Königreich an vergleichbaren Regelungen fehlt.
Rz. 139
Die Eintragung der geänderten Rechtslage im deutschen Handelsregister (siehe Rdn 149 ff.) schafft auch insoweit Klarheit und Rechtssicherheit.