Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 10
Will die GmbH – oder im Fall der Insolvenz der Insolvenzverwalter – den Geschäftsführer der Gesellschaft wegen pflichtwidrigen Verhaltens gem. § 43 Abs. 2 GmbHG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, so hat die Gesellschaft Dreierlei darzulegen und zu beweisen: erstens das Verhalten des Geschäftsführers, das sich als möglicherweise pflichtwidrig darstellt. Zweitens den Eintritt und die Höhe des entstandenen Schadens. Drittens die Kausalität zwischen Organhandeln und Schaden. Hinsichtlich des Schadens kommen der Gesellschaft zudem Erleichterungen der Substantiierungslast zugute: Es genügt, dass sie die Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO hinreichende Anhaltspunkte bieten. Ähnliche Erleichterungen gelten für den Ursachenzusammenhang zwischen Organhandeln und Schaden. Der Geschäftsführer hat demgegenüber – ebenso wie der Vorstand der Aktiengesellschaft nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG und anders als ein leitender Angestellter – die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes erfüllt hat oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre oder dass ihm die Einhaltung der Sorgfaltspflicht unverschuldet unmöglich war; sein Verschulden wird – widerlegbar – vermutet.
BGH NJW 2003, 358:
Zitat
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung trifft im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer gem. § 43 Abs. 2 GmbHG – entsprechend den Grundsätzen zu § 93 Abs. 2 AktG, § 34 Abs. 2 GenG – die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei ihr die Erleichterungen des § 287 ZPO zugutekommen können. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gem. § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.
Gleiches gilt, wenn bereits feststeht, dass es im Warenlager oder in der Kasse der GmbH Fehlbestände gibt; dann hat der Geschäftsführer die Verwendung und den Verbleib der Ware oder des Geldes im Einzelnen darzulegen und zu beweisen. Er kann zum Beispiel geltend machen, dass der Fehlbestand auf der Unzulänglichkeit der Buchführung beruht; Nichterweislichkeit geht jedoch zu seinen Lasten. Im Einzelfall kann den Geschäftsführer sogar eine Kausalitätsvermutung treffen, wenn die Art des Schadens einen deutlichen Hinweis darauf ergibt, dass er seine Gründe in einem Handeln oder Unterlassen des beklagten Geschäftsführers hat oder wenn eine unzureichende Buchführung, die der Geschäftsführer zu vertreten hat, die Kontrolle darüber vereitelt.
BGH NJW-RR 1991, 485, 486:
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Wenn der Kl., der als Geschäftsführer der Bekl. für ein geordnetes Abrechnungswesen verantwortlich war, die Abrechnung pflichtwidrig schuldhaft so gestaltet hat, dass der Betrag der Einnahmen und ihr schließlicher Verbleib am Ende nicht mehr nachvollziehbar ist, so kann dies keinesfalls zu Lasten der Bekl. gehen. Es muss dann vielmehr Sache des Kl. sein nachzuweisen, dass die von ihm für die Bekl. vereinnahmten Beträge ordnungsgemäß in die von ihm gemeldeten Umsatzzahlen eingeflossen und abgeführt worden sind, was bei einem ordentlich gestalteten Rechnungswesen keine Schwierigkeiten bereiten könnte.
Steht fest, dass der Geschäftsführer Gelder für die Gesellschaft eingenommen hat, ist aber deren Verbleib aufgrund nicht ordnungsgemäßer, vom Geschäftsführer zu verantwortender Buch- und Kassenführung nicht mehr aufklärbar, so ist es seine Sache nachzuweisen, dass er die Gelder pflichtgemäß an die Gesellschaft abgeführt hat; das gilt selbst dann, wenn sich aus den Büchern kein Kassenfehlbestand ergibt.
Bei Streit über eine Zahlung des Geschäftsführers an sich selbst muss die Gesellschaft nur darlegen, dass der Geschäftsführer auf einen möglicherweise nicht bestehenden Anspruch geleistet hat. Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen danach den Geschäftsführer.
Die vorstehenden Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast zugunsten der Gesellschaft gelten ferner nur für die organschaftliche Haftung des Geschäftsführers, nicht jedoch für eine anderweitige Haftung, insb. nicht für die deliktische.
Die dargestellte Beweislastumkehr ist auch auf den wohl praxisrelevantesten Fall der bereits ausgeschiedenen Organmitglieder anzuwenden. Zwar könnte die in der Regel größere Sach- und Beweisnähe der Gesellschaft im Vergleich zum Organmitglied, bedingt durch die Rückgabepflicht aller Unterlagen nach Amtsbeendigung, für eine teleologische Reduktion der Beweislastumkehr sprechen, jedoch ist dies mit dem Argument abzulehnen, dass den ausgeschiedenen Organmitgliedern Einsichts- und Auskunftsrechte zustehen.