Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 83
Geringeren Anforderungen an seine Substantiierungspflicht ist auch derjenige ausgesetzt, der einen Anspruch aus entgangenem Gewinn geltend macht.
Nach § 252 S. 2 BGB gilt "als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte."
Die Regelung enthält eine den § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, vgl. § 5 Rdn 27 ff. Und diese Beweiserleichterung wirkt sich eben nicht erst auf die Beweiserhebung und die Würdigung des Beweises aus, sondern schon früher: Die Anforderungen an die Darlegungslast werden reduziert. Es genügt, wenn Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen für einen Schadenseintritt vorgetragen werden; zu hohe Anforderungen dürfen nicht gestellt werden: Die Klage darf nicht wegen lückenhaften Vortrags zur Schadensentstehung und Schadenshöhe abgewiesen werden, solange greifbare Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung vorhanden sind.
Rz. 84
Dazu ein eindrucksvolles Beispiel aus der Rspr. des BGH:
Ein Käufer hat – auch nach Fristsetzung und Ablehnungsandrohung, § 323 Abs. 1 BGB – dem Händler den Gebrauchtwagen nicht abgenommen. Dieser verkauft den Wagen anderweitig und macht gleichwohl gegen den Käufer einen Anspruch auf den vereinbarten pauschalierten Schadensersatz geltend. Es ist anerkannt, dass ein solcher Anspruch beim Verkauf marktgängiger Ware durch einen Kaufmann trotz Weiterverkaufs besteht, weil davon auszugehen ist, dass er sie – nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, § 252 BGB – jederzeit ein weiteres Mal zum Marktpreis hätte absetzen können.
Diesen Grundsatz wendet der BGH auch auf den Gebrauchtwagenhandel an:
Der Händler hat für das Eingreifen der Vermutung aus § 252 BGB lediglich vorzutragen, in welcher Weise das Zweitgeschäft möglich gewesen wäre, insbesondere, ob er das Zweitgeschäft mit einem – weiteren – Wagen aus seinem Gebrauchtwagenbestand oder in der Weise durchgeführt hätte, dass er den von dem Zweitkunden gewünschten Wagen anderweitig beschafft hätte. Gegenstand der Vermutung ist dann, dass das Zweitgeschäft in der von dem Händler angegebenen Weise zustande gekommen wäre. Demgegenüber ist es Sache des Käufers darzutun, dass es sich entweder bei der Kaufsache nicht um eine marktgängige Ware gehandelt habe oder der Verkäufer zur Erfüllung eines zusätzlichen Auftrages nicht imstande gewesen wäre.
Rz. 85
Besondere Probleme wirft auch die Frage auf, wie sich die Erwerbsmöglichkeiten eines noch in der Ausbildung begriffenen Jugendlichen entwickelt hätten.
Dazu BGH r+s 2000, 415, 416:
Zitat
Bei der Beurteilung der voraussichtlichen beruflichen Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis gebietet § 252 BGB eine Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bzw. nach den besonderen Umständen, insbesondere auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und zur beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden kann. Zwar ist es hierbei Sache des Geschädigten, möglichst konkrete Anhaltspunkte und Anknüpfungstatsachen für diese Prognose darzulegen. Die insoweit zu stellenden Anforderungen dürfen indes nicht überspannt werden […]. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Geschädigte sich noch in der Schule, in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung befindet, weil er dann regelmäßig nur wenige Anhaltspunkte dafür darzutun vermag, wie sich seine berufliche Entwicklung voraussichtlich gestaltet hätte. In solchen Fällen darf der Tatrichter den Geschädigten deshalb im Rahmen der Schadensermittlung gemäß § 252 BGB, § 287 ZPO nicht vorschnell auf die Unsicherheiten möglicher Prognosen verweisen und insbesondere nicht daraus herleiten, dass kein Erwerbsschaden eingetreten sei. Ergeben sich keine Anhaltspunkte, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg sprechen, dann liegt es vielmehr nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Verbleibenden Risiken kann durch gewisse Abschläge Rechnung getragen werden […]
Rz. 86
Vgl. auch BGH NJW 1998, 1633 zu einem Fall, in dem ein verletzter Vertragsspieler Fußballtrainer werden wollte und diesen Berufswunsch aufgrund eines Unfalls nicht mehr verwirklichen kann.
BGH NJW-RR 1999, 1039:
Zitat
An die Darlegung zur voraussichtlichen beruflichen Fortentwicklung des Geschädigten ohne das Unfallgeschehen dürfen, wenn er sich zur Zeit des Unfalles in wechselnden, auch vorübergehenden, Beschäftigungsverhältnissen oder in Bemühungen um eine Weiterbildung befand, keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.
Liegen die Voraussetzungen für eine auf § 252 S. 2 BGB gestützte abstrakte Schadensberechnung nicht vor, kann der Geschädigte versuchen, seinen Schaden konkret darzulegen.
Keine ausreichende Gr...