Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 87
Die Bedeutung der Darlegungs- und Substantiierungslast kann auch am Problembereich der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH durch einen Gläubiger der Gesellschaft wegen Insolvenzverschleppung hervorragend aufgezeigt werden.
Zum besseren Verständnis bedarf es einer kurzen Einführung in die damit verbundenen materiell-rechtlichen Fragen.
Nach § 15a InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB haftet der Geschäftsführer der GmbH für den Schaden, der ihr dadurch entsteht, dass er im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht spätestens innerhalb von drei Wochen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat.
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat, § 17 Abs. 2 InsO. Danach ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke mehr als zehn Prozent der fälligen Gesamtverbindlichkeiten ausmacht.
Eine Überschuldung ist dann gegeben, wenn die Verbindlichkeiten den Wert des vorhandenen Vermögens der GmbH überschreiten, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich, § 19 Abs. 2 S. 1 InsO.
Demnach ist zur Bestimmung der Überschuldung des Unternehmens eine Fortführungsprognose anzustellen. Anders als früher ist nach der aktuellen gesetzlichen Regelung gerade kein Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Fortführungsprognose positiv ist.
Rz. 88
§ 15a InsO ist ferner ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Das bedeutet, dass der Gläubiger einer GmbH, der mit seiner Forderung gegen die GmbH ganz oder teilweise ausfällt, den Geschäftsführer unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, wenn sein Schaden auf dem verspäteten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruht.
Rz. 89
Bei den Rechtsfolgen einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO unterscheidet die Rspr. mittlerweile zwischen Alt- und Neugläubigern. Nach der früheren Rspr. wurde den Gläubigern gegen den Geschäftsführer – ohne diese Unterscheidung – nur ein Anspruch auf Ersatz des sogenannten Quotenschadens zugebilligt. Mit der Aufgabe dieser Rspr. durch die Entscheidung des BGH hat sich die Rechtslage für die Gläubiger verbessert.
Von besonderer Bedeutung ist die prozessrechtliche Ausgestaltung der Anspruchsgrundlage.
Für den Quotenschaden – das ist die Differenz zwischen der Insolvenzquote, die bei rechtzeitiger Insolvenzeröffnung angefallen wäre, und der geringeren, die der Gläubiger erhält, weil der Geschäftsführer den Insolvenzantrag verzögert hat – muss der Gläubiger den genauen Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vortragen. Die insolvenzrechtliche Überschuldung kann allerdings auch durch einen Verweis auf die handelsrechtliche Bilanz dargelegt werden, da die handelsrechtliche Bilanz zumindest indizielle Bedeutung für eine insolvenzrechtliche Überschuldung haben kann.
BGH NZG 2009, 750:
Zitat
Beruft sich der für den objektiven Tatbestand der Insolvenzverschleppung darlegungs- und beweispflichtige Gläubiger für die behauptete insolvenzrechtliche Überschuldung der Gesellschaft auf eine Handelsbilanz, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweist, und trägt er außerdem vor, ob und in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus der Handelsbilanz nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind, ist es Sache des bekl. Geschäftsführers, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstige für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.
Für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit kann sich der geschädigte Gläubiger grundsätzlich auf die anerkannten Beweiserleichterungen, insbesondere die Vermutung der Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 InsO berufen. Darüber hinaus hat der BGH weitere Beweiserleichterung – z.B. in Beweisvereitelungskonstellationen – angenommen.
BGH NZI 2012, 413:
Zitat
Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer einer GmbH, der von einem Gesellschaftsgläubiger wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen wird, seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist.
Des Weiteren muss der (Alt-)Gläubiger allerdings darlegen, wie hoch zu diesem Zeitpunkt die Verbindlichkeiten der GmbH waren und wieviel an Vermögen diesen Verbindlichkeiten gegenüberstand. Denn nur so kann bestimmt werden, welche Quote dem Gläubiger bei rechtzeitigem Insolvenzantrag zugefallen wäre.
Rz. 90
Dies darzulegen ist dem (Alt-)Gläubiger, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand an Zeit und Kosten möglich. Eben wegen der hohen Anforderungen an seine Darlegungslast, denen der (Alt-)Gläubiger zu genü...