Ein weiteres haftungsträchtiges Feld betrifft die Insolvenzverschleppung. Ist die Gesellschaft insolvenzreif, muss der Geschäftsführer unverzüglich – spätestens innerhalb von 3 Wochen bei Zahlungsunfähigkeit bzw. 6 Wochen bei Überschuldung (§ 15a I 2 InsO) – den Insolvenzantrag stellen. Von einer Insolvenzreife spricht man dann, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist. In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof die Streitfrage entschieden, wann aus einer bloßen Zahlungsstockung eine Zahlungsunfähigkeit wird. Es ist nämlich sehr problematisch, ab welchem Zeitraum tatsächlich von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist und wie hoch der prozentuale Anteil der Verbindlichkeiten sein muss, der nicht mehr beglichen werden kann.
Nach einem BGH-Urteil wird eine Zahlungsstockung zur Zahlungsunfähigkeit, wenn die Liquiditätslücke länger als 3 Wochen besteht bzw. nicht innerhalb dieser 3 Wochen beseitigt werden kann. Die Liquiditätslücke muss zudem mehr als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten ausmachen. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen.
Es sei denn, es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt wird. Für die Gläubiger muss aber ein Abwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumutbar sein. Kann also eine GmbH, die Schulden in Höhe von 100.000 EUR hat, nur 90.000 EUR oder weniger begleichen, liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor. Der Geschäftsführer muss daher Insolvenzantrag stellen. Unterlässt er dies, begeht er eine Insolvenzverschleppung, die dann zur Folge hat, dass er sich strafbar macht und haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Der zweite Insolvenzgrund ist die Überschuldung. Hier ist der Insolvenzantrag spätestens binnen 6 Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen (§ 15 a Abs. 1 Satz 2 InsO). Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt; es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (§ 19 Abs. 2InsO). Ausnahmsweise muss also trotz Überschuldung kein Insolvenzantrag gestellt werden, wenn die Fortführung des Geschäftsbetriebs für ein Jahr überwiegend wahrscheinlich ist. Ob die Fortführung in dem Prognosezeitraum überwiegend wahrscheinlich ist, ist durch eine Fortbestehensprognose zu entscheiden, die einen Willen zur Sanierung und ein plausibles Sanierungskonzept voraussetzt. Der Geschäftsführer muss bei Insolvenzreife also Insolvenzantrag stellen. Sonst drohen ihm straf- und haftungsrechtliche Konsequenzen.
GmbH-Geschäftsführer muss Zahlungen erstatten
Die haftungsrechtlichen Konsequenzen sind gravierend. Der GmbH-Geschäftsführer muss alle Zahlungen aus der Masse erstatten, die er nach Insolvenzreife getätigt hat und die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar waren (§ 15b IV InsO). Damit soll verhindert werden, dass die Insolvenzmasse zugunsten einzelner Gläubiger aufgezehrt wird. Ist den Gläubigern ein geringerer Schaden entstanden, beschränkt sich die Ersatzpflicht auf den Ausgleich dieses Schadens. Dies muss der Geschäftsführer beweisen. Hat der Geschäftsführer während der Verschleppung die Masse gar nicht per Saldo geschmälert, weil er für die Gesellschaft "gute Geschäfte" getätigt hat, kann die Haftung entfallen (siehe § 15 b IV 2 InsO).
Den Zahlungsanspruch wegen verbotener Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen gemäß § 15b IV InsO macht der Insolvenzverwalter im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geltend. Daneben gibt es eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für den "Verschleppungsschaden" (§ 823 II BGB i. V. m. § 15a I InsO). Das bedeutet, dass der Geschäftsführer die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie diese stünden, wenn er rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt hätte. Die Altgläubiger, die bereits zum Eintritt der Insolvenzreife eine Forderung gegen die GmbH hatten, können damit ihren sog. Quotenschaden beanspruchen. Es muss geprüft werden, welche Insolvenzquote diese Gläubiger bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags erhalten hätten. Haben sie nunmehr – infolge der Verzögerung des Insolvenzantrags und weiterer Verringerung der Insolvenzmasse – nur eine geringere Quote zu erwarten, muss der Geschäftsführer für die Differenz aufkommen. Auch diesen Anspruch macht der Insolvenzverwalter geltend.
Sind Gläubiger erst nach Insolvenzreife überhaupt mit der Gesellschaft in Kontakt getreten und haben sie dieser beispielsweise Leistungen erbracht oder Waren geliefert, so haftet der Geschäftsführer diesen Gläubigern persönlich für den kompletten Ausfall. Die Gläubiger können argumentieren, dass bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung der Ausfall überhaupt nicht eingetreten wäre.
2.2.1 Spezialfall: Haftung des Geschäftsführers für ausbezahltes Insolvenzgeld
In der Krise der GmbH...