Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 95
Will ein Versicherungsnehmer seinen Versicherer aus einem Kfz-Diebstahl in Anspruch nehmen, gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln: Der Versicherungsnehmer muss den Versicherungsfall dartun und im Bestreitensfalle beweisen; der Versicherer den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung oder den Einwand, der Versicherungsfall beruhe auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers.
Kaum überwindbaren Schwierigkeiten stünde aber ein Versicherungsnehmer gegenüber, wenn er diesen üblichen Anforderungen uneingeschränkt genügen müsste. Die Rspr. kommt ihm deshalb zur Hilfe und leitet die dem Versicherungsnehmer gewährten Erleichterungen seiner Darlegungslast aus dem materiellen Recht ab. Der Zweck der Diebstahlsversicherung liegt nach BGH auch darin, den Versicherungsnehmer für die Fälle zu schützen, in denen die Umstände der Entwendung nicht umfassend aufgeklärt werden können.
Die Rspr. begnügt sich deshalb damit, dass der Versicherungsnehmer für den behaupteten Diebstahl als Anspruchsvoraussetzung einen Sachverhalt vorträgt, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, der versicherte Entwendungsfall habe stattgefunden.
Rz. 96
OLG Hamm VersR 1994, 854:
Zitat
An die Darlegung und Beweisführung eines Versicherungsnehmers in einem Fahrzeugdiebstahlsfall [sind] keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, weil der Wert einer Diebstahlversicherung sonst in vielen Fällen fehlender Tataufklärung von vornherein in Frage gestellt und der Versicherungsnehmer sehr oft entgegen dem Zweck des Versicherungsvertrages schutzlos wäre. Der Versicherungsnehmer genügt seiner Darlegungs- und Beweislast für den behaupteten Diebstahl deshalb jedenfalls vorläufig schon dann, wenn er einen Sachverhalt vorträgt und erforderlichenfalls Beweis erbringt, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass die versicherte Sache in einer den Versicherungsbedingungen entsprechenden Weise entwendet worden ist. Dazu genügt die Feststellung von Beweisanzeichen (Indizien), denen hinreichend deutlich das äußere Bild eines versicherten Diebstahls entnommen werden kann. Dieser Mindestbeweis ist bei einem Fahrzeugdiebstahl in der Regel dann erbracht, wenn feststeht, dass das versicherte Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und es dort später nicht mehr vorgefunden worden ist [...]
Rz. 97
Ist das äußere Bild eines versicherten Diebstahls bewiesen, hat der Versicherer Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Diebstahls nahelegen.
Zopfs, VersR 1993, 140, 141:
Zitat
Immerhin müssen also beide Seiten das Vorliegen der Indiztatsachen, aus denen der Schluss auf die zu beweisende Haupttatsache mit hinreichender oder erheblicher Wahrscheinlichkeit gezogen wird, zur vollen Überzeugung beweisen[;] für diese Indiztatsachen gibt es keine Beweismaßabsenkung.
Das gilt im Übrigen auch für Anzahl und Wert der von einer Entwendung betroffenen Sachen; allerdings kommt hier eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO in Betracht.
Das LG Frankfurt am Main (NJOZ 2019, 382) hat entscheiden, dass zur Klärung der Frage, ob vorgefundene Schäden an einem entwendeten Fahrzeug, deren Ursachen nicht festgestellt werden können, der Entwendung oder mut- bzw. böswilligen Handlungen zuzurechnen sind, für die Behauptung des Vorliegens von durch mut- oder böswillige Handlungen entstandene Schäden auf das äußere Bild abzustellen ist. Grundsätzlich obliegt dem Versicherungsnehmer für die Behauptung eines Schadens aufgrund mut- oder böswilliger Handlung nach Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung der Vollbeweis. Diesem sollen insoweit keine Beweiserleichterungen zugutekommen, da das Fahrzeug im Gegensatz zu Entwendungsfällen zur Feststellung, ob ein Versicherungsfall eingetreten ist, besichtigt werden könne. Allerdings würde der Versicherungsnehmer bei Abstellen auf die Erforderlichkeit des Vollbeweises regelmäßig beweispflichtig bleiben, wenn, wie im vom LG Frankfurt am Main zu entscheidenden Fall, die Hintergründe der Schadensursachen nicht im Detail bekannt sind und insofern immer auch als möglich in Betracht gezogen werden muss, dass sich bei der Beschädigung ein der Entwendung innewohnendes Risiko verwirklicht haben könnte. Deswegen stellt das LG auf das äußere Bild der Beschädigungen ab und stellt insoweit eine wertende Gesamtbetrachtung an, um zu entscheiden, ob sich bei der Beschädigung ein der Entwendung innewohnendes Risiko verwirklicht hat oder ein mut- oder böswilliges Verhalten vorliegt.
Zitat
Im Falle der Entwendung eines voll-, jedoch nicht teilkaskoversicherten Fahrzeugs ist für den Beweis der Beschädigung durch mut- oder böswillige Handlungen nach Wiederauffinden auf das äußere Bild abzustellen, wenn die Ursachen vorgefundener Schäden nicht festzustellen ist.
Rz. 98
Weil aber selbst diese reduzierten Anforderungen an die Subs...