Rz. 203
Rz. 204
KG
Ein Pkw-Fahrer (1) darf seine Türe auch nicht spaltbreit öffnen, um auszusteigen, wenn mit dem Vorbeifahren eines anderen Fahrzeugs zu rechnen ist. Der Vorbeifahrende (2) muss – sofern das geparkte Fahrzeug nicht erkennbar unbesetzt ist – einen solchen Abstand einhalten, dass die Tür des geparkten Fahrzeugs ein wenig geöffnet werden kann. Ein Abstand von 30 cm zum geparkten Fahrzeug ist zu gering. Schließwinkel der geöffneten Türe und Abstand des vorbeifahrenden Kfz können durch einen Sachverständigen ermittelt werden. Haben beide Fahrzeugführer sich nicht vorschriftsmäßig verhalten, haften beide zu 50 %.
Rz. 205
BGH
Die Sorgfaltsanforderung des § 14 Abs. 1 StVO erfasst auch Situationen, in denen ein Fahrzeuginsasse sich in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ein- oder Ausstiegvorgang bei geöffneter Türe in das Kfz beugt, um einen Gegenstand herauszuholen oder z.B. einem Kind beim Aussteigen zu helfen. Kommt es dabei zu einer Berührung der geöffneten Tür durch einen mit zu geringem Sicherheitsabstand vorbeifahrenden Lkw, kommt eine Haftung 50:50 in Betracht. Eine Abwägung nach § 17 StVG ist in diesem Fall nicht zu beanstanden.
Rz. 206
OLG Hamburg
Kann ein Unfallhergang nicht näher aufgeklärt werden, ist eine Haftungsquote von 50:50 gerechtfertigt, wenn ein Leichtkradfahrer in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang bei einem Überholmanöver durch einen Pkw zu Fall kommt, obwohl es keine Berührung gegeben hat. Allein der Umstand, dass dem Sturz keine Berührung der Fahrzeuge vorausging, führt nicht zu einer Verneinung des Haftungsmerkmals gem. § 7 StVG "beim Betrieb". Danach kommt es für eine Zurechnung zur Betriebsgefahr maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang steht.
Rz. 207
OLG Bremen
Hatte sich die Tür des geparkten Fahrzeugs unmittelbar vor der Kollision nicht weiter geöffnet, hat der Vorbeifahrende die wesentliche Unfallursache gesetzt. Er hatte den seitlichen Abstand zu dem parkenden Pkw falsch eingeschätzt. Die gem. §§ 17 Abs. 1, 18 StVG gebotene Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrzeugführer führt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte den Schaden des Klägers nach einer Quote von 4/5 zu ersetzen hat.
Rz. 208
OLG Celle
Der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG gilt nicht in Bezug auf einen Beifahrer, der lediglich befördert wird und aussteigt; insoweit ist er nicht bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig (entgegen OLG München, Urt. v. 24.6.1966 – 10 U 866/66) (amtl. LS.) ist. Am 6.5.2007 gegen 3:00 Uhr beförderte der Fahrzeugführer eines Taxis drei britische Soldaten, die zu ihrer Kaserne zurückkehren wollten. Die Fahrgäste waren erheblich alkoholisiert. Der Taxifahrer stoppte das Fahrzeug auf dem Seitenstreifen, weil sich der hinten links sitzende Fahrgast übergeben musste. Der Beifahrer stieg aus und begab sich zur linken hinteren Tür, die zwischenzeitlich geöffnet worden war, um seinem Kameraden zu helfen. Auch die Fahrertür wurde geöffnet. Kurze Zeit später näherte sich auf dem rechten von drei Fahrspuren ein bei der Kl. haftpflichtversicherter Sattelzug. Er kollidierte mit den geöffneten Türen des Beklagtenfahrzeugs und erfasste den einen Fahrgast, der dabei schwer verletzt wurde und am 22.5.2007 infolge des Unfalls verstarb. Im vorliegenden Fall bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass der streitgegenständliche Unfall bei dem Betrieb des Taxis im vorgenannten Sinne geschah. Zwar stand das Taxi im Zeitpunkt der Kollision, und es mag auch ausreichend abgesichert gewesen sein. Allerdings war die Fahrt erst kurze Zeit vor dem Unfall unterbrochen worden und sie sollte auch alsbald fortgesetzt werden, wie die Bekl. selbst vorgetragen haben. Ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang des Fahrzeugs ist danach zu bejahen. Taxifahrer, Halter und Versicherung haften deshalb zu 75 %.
Rz. 209
OLG Celle
Trifft ein Kfz-Führer auf einen Reiter, so sollte er – abhängig von den konkreten Umständen – sowohl beim Passieren als auch beim Begegnen einen Seitenabstand von wenigstens 1,50 bis 2,00 m einhalten. Auch wenn das Bankett nicht zur Fahrbahn gehört, kann es die konkrete Verkehrslage erforderlich machen, es mitzubenutzen, um zum Beispiel den gebotenen Seitenabstand zu einem Reiter einzuhalten. Scheut das Pferd und wird es verletzt, haftet die Tierhalterin zu 50 %, da alleine das Parieren des Pferdes zum Anhalten und Schrägstellen zur Fahrbahnmitte hin nicht genügt. Ob eine Berührung des Pferdes mit dem Kfz stattgefunden hat, ist ohne Bedeutung.
Rz. 210
KG
Kommt es in unmittelbarem örtlichen und zeitlichem Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigen (§ 14 Abs. 1 StVO) aus einem am Fahrbahnrand geparkten Fahrzeug zu einem Verkehrsunfall, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden. Der Vorgang des Einsteigens endet erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür. Der Vorgang des Aussteigens ist e...