Rz. 2601

 

Rz. 2602

LG Würzburg[2441]

Bei Kollision des den Bereich der Vorfahrtstraße verlassenden Vorfahrtberechtigten (1) mit dem Wartepflichtigen (2) haftet Fahrer (2) zu 100 %. Der Vorrang eines sich auf der abknickenden Vorfahrtstraße befindlichen Verkehrsteilnehmers beschränkt sich nicht auf den Verlauf der abknickenden Vorfahrtstraße, sondern gilt für den gesamten erweiterten Kreuzungsbereich.

 

Rz. 2603

BGH[2442]

Der Benutzer einer bevorrechtigten Straße ist gegenüber Verkehrsteilnehmern, die auf einer einmündenden oder die Vorfahrtsstraße kreuzenden nicht bevorrechtigten Straße herankommen, so lange vorfahrtsberechtigt, bis er die Vorfahrtsstraße mit der ganzen Länge seines Fahrzeugs verlassen hat. Dies gilt auch, wenn er geradeaus fährt und nicht der abbiegenden Vorfahrtsstraße folgt.

 

Rz. 2604

BGH[2443]

Der Fahrer (1), der dem Verlauf einer nach links abknickenden Vorfahrtstraße nicht folgt, sondern geradeaus weiterfährt, hat in dem gesamten Kreuzungsbereich die Vorfahrt gegenüber dem von rechts kommenden Verkehr. Eine Markierung des Verlaufs des bevorrechtigten Straßenzuges auf die Kreuzung durch eine rechtsseitig verlaufende, bogenförmige, unterbrochene weiße Linie ändert nichts am Umfang der Vorfahrtberechtigung.

 

Rz. 2605

OLG Oldenburg[2444]

Ein Kraftfahrer (1), der eine abknickende Vorfahrtstraße nach schräg rechts geradeaus verlassen will, muss sich durch Rückschau vergewissern, dass kein Radfahrer der Vorfahrtstraße folgen will. Ein Radfahrer, der der abknickenden Vorfahrtstraße folgt, ist gehalten, die Fahrtrichtungsänderung anzukündigen. Unterlässt er dies, so trifft ihn bei einem Zusammenstoß mit einem Pkw zumindest nur ein geringes Mitverschulden, das hinter dem Verschulden des Pkw-Fahrers zurücktritt, wenn dieser den Radfahrer nicht einmal bemerkt hat. Der Radfahrer (2) kann damit rechnen, dass abbiegende Fahrzeuge ihm die Vorfahrt lassen. Der die Vorfahrtsstraße Verlassende muss sein Verhalten darauf einrichten, dass er keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährden konnte.

 

Rz. 2606

OLG Koblenz[2445]

Der Wartepflichtige, der in eine Vorfahrtstraße einbiegen möchte, hat eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Er kann sich auf den Vertrauensgrundsatz nur in eingeschränkter Weise berufen. Er muss mit einem verkehrswidrigen Verhalten des Vorfahrtberechtigten – von groben Verkehrsverstößen abgesehen – grundsätzlich rechnen. Weist ein Einmündungsbereich eine Y-ähnliche Besonderheit auf, bei der ein auf der Vorfahrtstraße fahrendes Fahrzeug ungebremst in die untergeordnete Straße "abbiegen" kann, ist mit einer deutlichen Geschwindigkeitsabsenkung des Vorfahrtberechtigten nicht zu rechnen, so dass erst der Beginn dessen Abbiegevorgangs dem Wartepflichtigen eine hinreichende Sicherheit für die Einleitung seines eigenen Abbiegevorgangs vermittelt. Bremst der Fahrer eines vorfahrtberechtigten Fahrzeugs ab und fährt ein andres auf dieses stillstehende Fahrzeug auf, haften der Wartepflichtige und der Auffahrende jeweils zu 50 %.

 

Rz. 2607

OLG Karlsruhe[2446]

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Kfz-Fahrer, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern, in einen Kreuzungsbereich einfährt, der deutlich sichtbar mit Haltbalken und Stoppschildern auf beiden Fahrbahnseiten gekennzeichnet ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass sich der Fahrer auf einer relativ breiten Fahrbahn befand, die auf eine abknickende Vorfahrtsstraße mündete. Die Tatsache, dass der Wartepflichtige wegen einer kurzen Unaufmerksamkeit, also aufgrund eines Augenblickversagens, die Stoppschilder übersehen hat, ist für sich allein genommen kein Grund, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben sind.

 

Rz. 2608

LG Leipzig[2447]

An Kreuzungen, in denen zwei Nebenstraßen auf eine abknickende Vorfahrtstraße treffen, gilt für Verkehrsteilnehmer, die aus diesen Nebenstraßen in die Vorfahrtstraße einfahren, untereinander der Grundsatz "rechts vor links". Die Vorfahrtberechtigung erstreckt sich auf die gesamte Kreuzungsfläche. Der Vorfahrtberechtigte (1) kann sich grundsätzlich darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht beachten. Wenn aber andere bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer warten, kann dies für den Vorfahrtberechtigten Anlass sein, sich zunächst zu vergewissern, dass das Einbiegen gefahrlos möglich ist. Unterlässt er dies, haftet er zu 20 %.

 

Rz. 2609

AG Mühldorf[2448]

Bei einer Kollision auf einer abknickenden Vorfahrtsstraße spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der in die bevorrechtigte Straße Einfahrende die Vorfahrt des Unfallgegners missachtet hat. Die Betriebsgefahr des Kfz des Vorfahrtberechtigten tritt hinter dem Verkehrsverstoß des Wartepflichtigen zurück. Der Einfahrende haftet zu 100 %. Der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, dass der Wartepflichtige beim Einfahren in die bevorrechtigte Straße den Vorrang des Pkw des Vorfahrtsberechtigten nicht beachtet hat. Der Kl. hat kein zulässiges Beweismittel dafür angeboten, dass entsprechend sein...

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