Rz. 2644
Rz. 2645
LG Itzehoe
Pkw (1) hat den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, fährt aber geradeaus und kollidiert mit dem Wartepflichtigen (2), der sich auf die Richtungsanzeige verlässt. Fahrer (1) haftet zu 25 %, weil er sich nicht entsprechend seiner Anzeige verhalten hatte. Fahrer (2) haftet zu 75 %, weil er sich alleine auf die Anzeige verlassen hatte und nicht andere typische Handlungen für einen geplanten Abbiegevorgang abgewartet hat (z.B. Herabsetzung der Geschwindigkeit).
Rz. 2646
KG
Ein Fußgänger (3), der hinter einer Kreuzung die Fahrbahn überschreiten will, darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Kraftfahrer (4) nicht entgegen seiner angezeigten Abbiegeabsicht geradeaus weiterfährt. Unterlässt er aber die Beobachtung des Fahrzeugverkehrs bei Überschreiten der Fahrbahn, trifft ihn ein Mitverschulden von 25 %.
Hinweis
Seit dem 1.8.2002 haftet der Kfz-Halter unabhängig vom Verschulden bei Zusammenstößen mit "schwachen Verkehrsteilnehmern" (§ 7 StVG). Eine Entlastung ist nur denkbar, wenn "höhere Gewalt" die Ursache für den Unfall ergab. Der "Unabwendbarkeitsbeweis" gilt nur noch bei der Entstehung von Sachschäden bei Kollision mehrerer Kfz bzw. deren Anhänger. Eine Entlastung des Kfz-Halters ist allenfalls über das Mitverschulden des "schwachen Verkehrsteilnehmers" gem. § 254 BGB erreichbar.
Rz. 2647
OLG Oldenburg
Schaltet der bevorrechtigte Fahrzeugführer (1) vor einer von rechts einmündenden untergeordneten Straße den rechten Fahrtrichtungsanzeiger ein und verringert er zusätzlich seine Fahrgeschwindigkeit, so ist das Vertrauen des Wartepflichtigen (2) darauf, dass der Bevorrechtigte nach rechts abbiegen werde, grundsätzlich geschützt. Der Vertrauensschutz greift dann nicht ein, wenn in geringer Entfernung hinter der untergeordneten Straße weitere Straßen einmünden oder sich Einfahrten befinden, auf die sich die Fahrtrichtungsanzeige des Bevorrechtigten ebenfalls beziehen kann. Sind die weiteren Einmündungen so weit entfernt, dass der Bevorrechtigte sich auch noch nach dem Passieren der untergeordneten Straße auf ein verkehrsgerechtes späteres Einbiegen einstellen könnte, bleibt es bei dem Vertrauensschutz des Wartepflichtigen.
Rz. 2648
KG
Der wartepflichtige Kraftfahrer (2) darf im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der sich einer Einmündung oder einer Kreuzung nähernde vorfahrtberechtigte Kraftfahrer (1), der den rechten Fahrtrichtungsanzeiger seines Fahrzeugs gesetzt hat, nach rechts in die nächste Querstraße abbiegen wird. Allerdings muss sich diese Absicht auch in seiner Fahrweise äußern, z.B. indem er nach rechts lenkt und ein Abbiegen bei entsprechender Verringerung der Geschwindigkeit möglich ist. Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem auf der Vorfahrtstraße befindlichen Kfz (1), das entgegen der Ankündigung seines Fahrers durch Setzen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers und dessen Fahrweise nicht nach rechts abbiegt und dem im berechtigten Vertrauen auf die angekündigte Fahrtrichtungsänderung in die Vorfahrtstraße einbiegenden Wartepflichtigen.
Rz. 2649
OLG Celle
Biegt ein wartepflichtiger Fahrzeugführer (2) nach links ab, weil er wegen des fälschlicherweise betätigten Blinkers eines entgegenkommenden Fahrzeuges (1) darauf vertraut, dieses werde nach rechts abbiegen, ohne dass sonstige Anzeichen für ein Rechtsabbiegen sprechen, haften beide Fahrzeugführer zu 50 %, wenn der Entgegenkommende geradeaus weiterfährt.
Rz. 2650
OLG Hamm
Der Senat hält daran fest, dass der wartepflichtige Fahrzeugführer (2) der Ankündigung einer angezeigten Fahrtrichtungsänderung des Vorfahrtberechtigten erst und nur dann vertrauen darf, wenn der Vorfahrtberechtigte auch durch eindeutige Geschwindigkeitsherabsetzung und Beginn des Abbiegens die verlässliche Annahme begründet, dass eine Berührung der beiderseitigen Fahrlinien nicht in Betracht kommt, wenn der Wartepflichtige die ursprüngliche und nunmehr hypothetische Fahrlinie des Vorfahrtsberechtigten kreuzt. Zeigt ein Verkehrsteilnehmer (1) an, dass er abbiegen will und ändert er seine Absicht wieder, woraufhin es zu einer Kollision mit dem wartepflichtigen Fahrzeug kommt, haftet er zu ⅓. Der Abbiegende hatte seinen rechten Blinker unstreitig gesetzt. Damit ist der zur Begründung der besonderen Sorgfaltspflichten des Abbiegenden erforderliche räumliche Bezug des Abbiegesignals auf die Einmündung der Straße gegeben.
Rz. 2651
OLG Dresden
Ein Wartepflichtiger, der an einer Kreuzung in eine Vorfahrtsstraße einbiegen will, darf nur dann darauf vertrauen, dass der Vorfahrtsberechtigte seinerseits abbiegen will, wenn dieser blinkt und zusätzlich die Annäherungsgeschwindigkeit deutlich und erkennbar herabsetzt oder zweifelsfrei bereits mit dem Abbiegen bereits begonnen hat. Es genügt nicht, wenn der Vorfahrtberechtigte sich dem Kreuzungsbereich mit einer geringeren als der dort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit nähert, ohne diese jedoch weiter herabzusetzen.
Eine Haftungsverteilung zu Lasten des Wartepflichtigen von ⅓ ...