Rz. 508

 

Rz. 509

OLG Karlsruhe[481]

Begegnen sich ein in eine Grundstückseinfahrt einfahrendes Fahrzeug (1) und ein hieraus ausfahrendes Fahrzeug (2) im Bereich dieser Einfahrt, hat das von der Straße kommende Fahrzeug (1) die Vorfahrt. Der Ausfahrende (2) muss ihm auch im Bereich der Zufahrt zu einer Tankstelle wegen des Vorrangs des fließenden Verkehrs auf der Straße den Platz lassen, den er zum Verlassen der Straße benötigt. Kommt es zum Zusammenstoß, haftet das Fahrzeug (2) zu 100 %.

 

Rz. 510

KG[482]

Der Vorgang des Ausfahrens aus einem Grundstück in eine öffentliche Straße ist erst dann beendet, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat oder verkehrsgerecht am Fahrbahnrand oder an anderer Stelle abgestellt worden ist. Das Ausfahren wird nicht schon dadurch beendet, dass das ausfahrende Fahrzeug etwa zwei bis drei Minuten in der Position gestanden hat, in der sich die Kollision ereignet hat. An der Einstufung als "Ausfahren" ändert es nichts, dass sich auf der Fahrbahn am Rand parkende Fahrzeuge befanden.

 

Rz. 511

OLG Hamm[483]

Für den Linksabbieger in eine Firmenzufahrt gelten nicht die Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO. Diese Vorschrift dient nicht dem Schutz des aus der Ausfahrt kommenden Verkehrs. Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen dem einfahrenden Fahrzeug (1) und dem ausfahrenden Pkw (2), kommt es zu einer Haftungsteilung 50:50. Der Ein­fahrende (1) verstößt zwar nicht gegen § 9 StVO. Er verstößt jedoch gegen § 1 StVO, weil er beim Abbiegen auf das Grundstück nicht um den Pkw (2) herumgefahren ist, sondern dessen Fahrtrichtung unnötigerweise schnitt. Er hätte nach Ansicht des Sachverständigen den Unfall vermeiden können, wenn er den – von ihm aus gesehen – rechten Bereich der Einfahrt benutzt hätte. Auch der Ausfahrende (2) hätte bei Beachtung des Vorfahrtsrechts des Einfahrenden (1) gem. § 10 StVO den Unfall vermeiden können.

 

Rz. 512

OLG Düsseldorf[484]

Der Einfahrende (1) in ein Tankstellengelände hat Vorrang vor dem Ausfahrenden (2). Dennoch haften beide Parteien zu 50 %.

 

Rz. 513

LG Arnsberg[485]

Setzt ein Fahrzeugführer auf der bevorrechtigten Straße den Blinker, um dann doch nicht in eine Tankstelleneneinfahrt zu fahren, haftet dennoch der aus der Tankstelle Ausfahrende zu 100 %, wenn er seine Pflichten aus § 10 StVO verletzt hat. An einen Vertrauenstatbestand des Ausfahrenden sind strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich sind neben der Betätigung des Blinkers die Verringerung der Geschwindigkeit und der Beginn des Abbiegens.

 

Rz. 514

LG Berlin[486]

Kommt es zu einem Unfall, weil ein aus dem Parkplatz ausfahrender Fahrzeugführer den fließenden Verkehr nicht ausreichend beachtet, haftet dieser zu 50 % für einen Schaden, der dadurch entsteht, dass ein im fließenden Verkehr befindliches Fahrzeug auf ein anderes auffährt. Der Fahrer des auffahrenden Fahrzeugs haftet zu 50 %, weil er gegen die Vorschrift des § 4 StVO verstoßen hat. Laut eigenen Angaben des Fahrers war der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug gerade zwei Fahrzeuglängen bei einer Geschwindigkeit von 55 bis 60 km/h. Dieser Abstand ist zu knapp bemessen. Die Vorschrift des § 4 StVO stellt darauf ab, dass der nachfahrende Fahrzeugführer mit einem plötzlichen Abbremsen des Vordermanns, wozu dieser gezwungen ist, rechnen muss.

 

Rz. 515

LG Saarbrücken[487]

Ein Kraftfahrer, der ausweislich einer Videoaufzeichnung auf einem Tankstellengelände rückwärts fährt und dabei ungebremst gegen ein Fahrzeug stößt, das zuvor verbotswidrig über eine durchgezogene Linie in das Tankstellengelände eingebogen war, haftet zu 100 %. Dies gilt insbesondere dann, wenn das andere Fahrzeug nachweislich gestanden hatte. Das Überfahren der durchgezogenen Linie wirkt sich in diesem Fall nicht aus.

 

Rz. 516

LG Saarbrücken[488]

Hat sich vor einer Tankstellenausfahrt auf der rechten Spur eine Fahrzeugkolonne gebildet und quert ein aus der Tankstelle ausfahrender Pkw zwei Spuren, um auf die Gegenfahrbahn zu gelangen, dann tritt die Betriebsgefahr eines weiteren Pkw, der an der Fahrzeugschlange auf der linken Spur vorbeifährt, aber mit dem aus der Tankstelle ausfahrenden Pkw kollidiert, in vollem Umfang zurück. Der Ausfahrende haftet zu 100 %. Die Lückenrechtsprechung findet auf solche Fälle der Ausfahrt aus einem Grundstück keine Anwendung.

 

Rz. 517

AG Berlin Mitte[489]

Fährt ein Pkw-Fahrer aus einer Tankstelle so aus, dass ein herannahender Motorrollerfahrer ohne Fahrzeugberührung zu Fall kommt, haftete er zu 100 %. Die alleinige Haftung des Beklagten ist sachgerecht, denn ihn trafen die besonderen Sorgfaltspflichten aus § 10 StVO. Beim Einfahren in den fließenden Verkehr musste er die Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer ausschließen.

 

Rz. 518

AG Homburg v. d. H.[490]

Biegt ein Kleinbus aus einer Tankstellenausfahrt nach links ab und kollidiert er mit einem Leichtkraftrad, dessen Fahrer verkehrswidrig die Busspur befährt und eine Fahrzeugkolonne überholt, haften beide Unfallbeteiligten zu 50 %. Beide Parteien müssen sich einen Pflichtve...

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