Rz. 1202
Rz. 1203
BGH
Der Fahrer eines Linienbusses (1) braucht sich vor dem Anfahrvorgang nur dann zu vergewissern, ob ein Fahrgast Platz oder Halt im Wagen gefunden hat, wenn eine erkennbare schwere Behinderung des Fahrgastes ihm die Überlegung aufdrängte, dass dieser andernfalls beim Anfahren stürzen werde. Der Fahrgast ist im Großraumwagen einer Straßenbahn in der Regel sich selbst überlassen und kann nicht erwarten, dass sich der Fahrer, der mit Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer die Fahrtsignale beachten muss, sich um ihn kümmert. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Fahrer bemerkt hat, dass ein Gehbehinderter oder ein Blinder den Wagen bestiegen hat. Die für den Fahrer einer Straßenbahn aufgestellten Grundsätze gelten auch für den Fahrer eines Linienbusses, weil sowohl die räumlichen Verhältnisse als auch die eingeschränkte Standsicherheit vergleichbar sind.
Hinweis
Nach der Regelung des § 7 Abs. 2 StVG kann sich der Halter eines Kfz nur noch dann entlasten, wenn "höhere Gewalt" die Ursache für den Unfall war. Kommt es zu einem Personenschaden beim Anfahren oder Anhalten eines Linienbusses, haftet dessen Halter demnach grundsätzlich. Er kann allerdings ein Mitverschulden des Fahrgasts gem. § 254 BGB geltend machen.
Rz. 1204
OLG Bremen
Der Fahrer eines Linienbusses darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Fahrgäste entsprechend ihrer Verpflichtung aus § 14 Abs. 3 Nr. 4 BOKraft selbst dafür sorgen, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies gilt auch beim Anfahren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die besondere Hilfsbedürftigkeit des Fahrgastes sich dem Fahrer aufdrängen musste. Gibt es keine Anhaltspunkte für eine sonstige Ursache des Sturzes eines Fahrgastes, sind insbesondere auch andere Fahrgäste nicht gestürzt, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Sturz jedenfalls weit überwiegend auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen ist. Kann dieser Anscheinsbeweis nicht entkräftet werden, tritt die auf Seiten des Betreibers des Linienbusses zu berücksichtigende Betriebsgefahr gänzlich zurück. Der Fahrgast haftet zu 100 %.
Rz. 1205
OLG Hamm
Legt ein gehbehinderter Fahrgast dem Fahrer einer Straßenbahn einen Schwerbehindertenausweis vor, führt das nicht zwingend zu einer besonderen Rücksichtnahmeverpflichtung des Fahrers. Von einem körperbehinderten oder gebrechlichen Fahrgast kann erwartet werden, dass er beim Einsteigen den Fahrer bittet, mit dem Anfahren zu warten, bis er Platz genommen oder festen Halt gefunden hat. Unterlässt er dies, haftet der Fahrer nicht, wenn der Fahrgast beim Anfahren stürzt.
Rz. 1206
OLG Hamm
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung umfasst die Pflicht eines Fahrgastes zur Eigensicherung die Obliegenheit, sich unmittelbar nach dem Zusteigen in eine Straßenbahn oder einen Linienbus sicheren Stand oder einen Sitzplatz sowie sicheren Halt zu verschaffen. Auch aus § 4 Absatz 3 S. 5 BefBedV und § 14 Nr. 3 BOKraft ergibt sich, dass ein Fahrgast eines Busses verpflichtet ist, sich "stets" einen festen Halt zu verschaffen. Fahrgäste müssen sic h bei Benutzung der Betriebsanlagen und Fahrzeuge so verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes, ihre eigene Sicherheit und die Rücksicht auf andere Personen gebieten. Kommt ein Fahrgast bei normaler Anfahrt einer Straßenbahn oder eines Linienbusses zu Fall, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen ist. Hat es ein Fahrgast versäumt, gerade in dem Zeitraum des besonders gefahrenträchtigen Anfahrens sicheren Halt an einer der Haltestangen zu suchen, trifft ihn nicht nur ein leichtes, sondern ein erhebliches Mitverschulden. Die Betriebsgefahr der Straßenbahn oder des Linienbussestritt unter diesen Umständen bei der Abwägung der Schadenursachen völlig zurück. Aus der Vorlage des Schwerbehindertenausweises musste der Fahrzeugführer nicht schließen, die Klägerin sei ohne besondere Rücksichtnahme gefährdet Sie war ohne besondetre Probleme und ohne Unterstützung durch dritte Personen eingestiegen.
Rz. 1207
OLG Hamm
Wird ein in der letzten Reihe eines Reisebusses sitzender Passagier beim Überfahren eines Bahnübergangs mit unangemessener Geschwindigkeit vom Sitz hochgeschleudert und zieht er sich beim Aufprall auf den Sitz Verletzungen zu, haften Fahrer und Halter des Busses auf Schadensersatz. Das gilt auch dann, wenn der Fahrgast einen vorhandenen Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, der den Schadenseintritt verhindert hätte. Der Fahrgast muss sich jedoch den Verstoß gegen die Gurtpflicht nach § 9 StVG, § 254 BGB anspruchsmindernd zu 30 % anrechnen lassen. Diese Quote ist angemessen, wenn dem genannten Verhalten des Passagiers die Betriebsgefahr des Busses gegenübersteht, die durch ein Fehlverhalten des Busfahrers (den Umständen nicht angepasste Geschwindigkeit) sowie die konstruktionsbedingt erfolgende starke Übertragung von Bodenunebenheiten auf Passagiere erhöht ist.
Rz. 1208
OLG Hamm
Stürzt e...