Rz. 721
Rz. 722
KG
Kommt es zu einem Unfall, weil ein Fahrer (1) in nicht erlaubter Weise die Spur wechselt, haftet er zu 100 %. Er muss ein Mitverschulden anderer unfallbeteiligter Personen nachweisen, wenn er nicht alleine haften möchte. Die Betriebsgefahr des anderen am Unfall beteiligten Fahrzeugs (2) führt alleine nicht zu einer Mithaftung. Der Beweis des ersten Anscheins spricht für eine schuldhafte Unfallverursachung des Fahrers (1). Im Falle eines unzulässigen Fahrstreifenwechsels kommt eine Mithaftung erst dann in Betracht, wenn der Fahrstreifenwechsler (1) Umstände nachweist, die ein Mitverschulden des Auffahrenden belegen. Ein Verkehrsteilnehmer hat gem. § 7 Abs. 5 StVO die höchstmögliche Sorgfalt zu beachten.
Rz. 723
BGH
Bei zwischen den Leitlinien befindlichen Richtungspfeilen handelt es sich nicht um bloße Fahrempfehlungen, sondern um (verbindliche) Fahrtrichtungsgebote. Sie gebieten gem. dem Zeichen 297 der StVO als verbindliche Fahrtrichtung die aufgezeigte Pfeilrichtung auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung.
Rz. 724
OLG Brandenburg
Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG kommt in Betracht, wenn der auf dem rechten zweier Fahrstreifen für dieselbe Fahrtrichtung fahrende Pkw nach rechts von der Straße abkommt, weil der Fahrer davon ausgehen konnte, dass der auf dem linken Fahrstreifen befindliche Pkw den Fahrstreifen wechseln will und es ohne Reaktion seinerseits zu einer Kollision kommen werde. Ob das Ausweichen objektiv tatsächlich geboten war, ist dabei ohne Bedeutung. Unter diesen Umständen haften beide Parteien jeweils zu 50 %. Der Sachverständige konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, dass der Spurwechsel erst eingeleitet bzw. durchgeführt worden sei, als das Fahrzeug des Klägers bereits an dem Fahrzeug des Beklagten zu 1 vorbeigefahren, aber noch nicht gegen die Laterne geprallt sei. Die jeweiligen Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge sind in etwa gleich hoch anzusetzen, so dass die hälftige Haftungsverteilung auch dann sachgerecht ist, wenn zulasten des Klägers kein Verstoß gegen §§ 1 Abs. 2 TVO, § 1 Abs. 2, 3 StVO oder eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zugrundegelegt wird.
Rz. 725
OLG Brandenburg
In § 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO (Zeichen 264) ist geregelt, dass ein Fahrstreifen nur von einem Kfz befahren werden darf, dessen Breite zwei Meter nicht überschreitet. Dabei kommt es auf die tatsächliche Breite an, und nicht die in den Fahrzeugspapieren angeführte. Zudem muss bei der Berechnung der Breite auch die Ladung mit eingerechnet werden. Normzweck des § 41 Nr. 6 StVO (Zeichen 264) ist der Ausschluss der Kollision zweier nebeneinander fahrender Kfz, wenn eines davon in unerheblichem Umfang in die Nachbarspur kommt. Streift ein Lkw einen auf der Nachbarspur fahrenden verbotswidrig zu breiten Pkw, beträgt die Haftungsquote für den Lkw 75 % und für den Pkw 25 %. Die Verwaltungsvorschrift zu den Zeichen 264 und 265 sieht vor, dass bei Festlegung der entsprechenden Maße für Breite bzw. Durchfahrtshöhe ein ausreichender Sicherheitsabstand zu berücksichtigen ist.
Rz. 726
KG
Gegen den auffahrenden Fahrer spricht der Beweis des ersten Anscheins nur dann, wenn es sich um einen "typischen" Auffahrunfall mit Teilüberdeckung von Heck und Front handelt. Ist erwiesen oder sprechen erwiesene Tatsachen dafür, dass der Vorausfahrende erst kurz vor dem Unfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt hat, greift ein Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden nicht ein. Für einen solchen Fahrstreifenwechsel spricht insbesondere auch eine Schrägstellung des vorausfahrenden Fahrzeugs und/oder eine "Eckkollision".
Rz. 727
KG
Der Anscheinsbeweis gegen den von hinten Auffahrenden setzt voraus, dass beide Fahrzeuge – unstreitig oder erwiesenermaßen – so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können. Er versagt, wenn der Vorausfahrende erst einige Augenblicke vor dem Auffahrunfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist. Widersprüche in der Beweiswürdigung von Zeugenaussagen durch das Erstgericht können Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen begründen und eine erneute Beweisaufnahme gebieten. Bleibt bei einem Auffahrunfall – wegen eines unstreitigen oder ernsthaft möglichen Fahrstreifenwechsels als Unfallursache – der Unfallhergang im Einzelnen ungeklärt, trägt jeder 50 % des Schadens.
Rz. 728
OLG Dresden
Kommt es im Zusammenhang mit einem Überholvorgang zu einem Unfall, dessen Umstände nicht aufgeklärt werden können, haften die Beteiligten entsprechend der Betriebsgefahr ihrer Fahrzeuge. Handelt es sich um zwei Pkw, ist die Haftung mit jeweils 50 % anzusetzen.
Rz. 729
OLG Hamm
Bei einer Kollision zwischen einem an der Ampel anfahrenden Lkw und einem Pkw, der während der vorangegangenen Rotphase sein Fahrzeug nach einem vorgenommenen Fahrstreifenwechsel in eine vor dem Lkw vorhandene Lücke gelenkt hat, haftet der Pkw-Fah...