Rz. 930
Rz. 931
OLG Düsseldorf
Gerät ein Kraftfahrer mit seinem Kfz (1) ohne ersichtlichen Grund auf die Gegenfahrbahn und stößt mit einem entgegenkommenden Kfz (2) zusammen, spricht dies typischerweise für ein Verschulden an dem Unfall. Bei der Haftungsabwägung tritt die Betriebsgefahr des entgegenkommenden Kfz (2) gegenüber dem Verschulden des auf die Gegenfahrbahn geratenen Kraftfahrers (1) und der erhöhten Betriebsgefahr seines Kfz (1) vollständig zurück. Er haftet zu 100 %.
Rz. 932
OLG Schleswig
Der Anscheinsbeweis spricht für ein Verschulden des Kraftfahrers (1), der in Folge einer Notbremsung auf die linke Fahrbahnseite kommt und dort mit einem entgegenkommenden Kfz (2) zusammenstößt. Er ist allenfalls dadurch zu erschüttern, dass der Kraftfahrer den Beweis dafür führt, dass ihn an der Notbremsung kein eigenes Verschulden trifft. Kann er diesen Beweis nicht führen, haftet er zu 100 %.
Rz. 933
OLG Brandenburg
Es ist eine normale Reaktion, nach einer leichten Kollision gegenzulenken. Dies führt – anders als bei einer Ausweichlenkung vor einem Zusammenstoß – nicht zu einem Mitverschulden des Ausweichenden. Zwar wird die Frage des Mitverschuldens durch falsches Reagieren eines Verkehrsteilnehmers diskutiert und lediglich dann verneint, wenn er in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu einer ruhigen Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert. Hierbei wird aber ersichtlich auf den Zeitpunkt vor der Kollision abgestellt.
Rz. 934
OLG Celle
Überfährt ein Fahrzeug mit Überbreite, das bereits den Grünstreifen neben der Fahrbahn mitbenutzt und nicht weiter rechts fahren kann, die (gedachte) Mittellinie, ist dies dem Fahrzeugführer nicht vorwerfbar. Kommt es auf einer geraden Straße bei Tageslicht zu einer Kollision, weil ein entgegenkommender Pkw-Fahrer die Fahrbahnmitte grundlos leicht überschritten hat, tritt die Haftung aus der Betriebsgefahr des überbreiten Fahrzeugs dennoch nicht vollständig zurück. Dessen Halter haftet zu 30 %.
Rz. 935
OLG Celle
Gerät ein Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn, weil sein Fahrzeugführer in einen Sekundenschlaf verfallen war, verursacht dieser grundsätzlich einen Unfall nicht grob fahrlässig. Für die Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens bedarf es der Feststellung eines in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoßes gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Es wäre nicht völlig unentschuldbar, wenn der Bekl. auf die Gegenfahrbahn geraten ist, weil er bei Dunkelheit und Nebel infolge einer Fahrbahnsenke die Lichter aus dem Gegenverkehr und die Rückleuchten der ihm vorausfahrenden Fahrzeuge aus den Augen verloren hätte und deswegen kurzzeitig orientierungslos gewesen wäre (amtl. LS). Lassen sich weitere Fehler, die auf ein grobes Verschulden hinweisen, nicht finden, haftet der Fahrzeugführer nicht.
Rz. 936
OLG Koblenz
Der Begriff "unabwendbares Ereignis" im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG a.F. meint nicht die absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus. Dabei darf sich die Prüfung nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein "Idealfahrer" reagiert hat. Vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein "Idealfahrer" überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Eine übermäßige Bremsreaktion gegenüber einem entgegenkommenden Fahrzeug, das in einigem Abstand vor der späteren Unfallstelle eine Kurve geschnitten hatte, bis zur Kollision aber wieder auf seine Fahrspur zurückgekehrt war, ist kein unabwendbares Ereignis. Fahrer (2) haftet aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs heraus.
Rz. 937
LG Hamburg
Einer Haftung "beim Betrieb" eines Kfz steht nicht entgegen, dass es zwischen den beiden beteiligten Fahrzeugen zu keiner Berührung gekommen ist. Auch ein Unfall, der wegen einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- oder Ausweichreaktion zustande kommt, ist dem Betrieb des Fahrzeugs zuzuordnen, das diese Reaktion ausgelöst hat. Ist im Ergebnis nicht feststellbar, dass sich der Geschädigte aufgrund der Fahrweise des Unfallgegners zu einem Ausweichmanöver veranlasst sehen musste und dass dies zudem die einzige Möglichkeit für den Geschädigten darstellte, eine Kollision zu vermeiden, fehlt es an einem Nachweis für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und dem Unfall.
Rz. 938
LG Berlin
Ein Straßenverkehrsteilnehmer, der grundlos zu sehr links auf der Fahrbahn fährt, verstößt gegen das Rechtsfahrgebot. Hiermit muss ein die Straßenverkehrsregeln beachtender Fahrer nicht rechnen. Stößt ein Fahrer auf der falschen Fahrbahn mit einem entgegenkomm...