Rz. 372
Rz. 373
OLG Düsseldorf
Überholt der Fahrer eines Pkw (1) zunächst die Straßenbahn (2) und beabsichtigt er anschließend hinter einer Brücke nach links abzubiegen, so haftet er zu 100 %, wenn der Fahrer der Straßenbahn nicht rechtzeitig bremsen kann und auffährt. Er muss nicht damit rechnen, dass kurz nach dem Überholvorgang der Pkw den Weg durch seinen Linksabbiegevorgang blockiert.
Rz. 374
OLG Hamm
Der Straßenbahnführer darf auch angesichts des Vorrangs des Schienen- vor dem Kraftfahrzeugverkehr nicht darauf vertrauen, dass ein auf den Schienen zum Stehen gekommener Verkehrsteilnehmer die Schienen rechtzeitig räumen würde, wenn für den Straßenbahnführer erkennbar war, dass ein Ausweichen des stehenden Fahrzeugs nach vorne oder nach rechts nicht möglich ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Straßenbahnfahrer eine Reaktionszeit von 10,5 Sekunden verblieb (amtl. LS.). Die gem. § 17 Abs. 2 StVO vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zur Alleinhaftung der Halterin der Straßenbahn für die Folgen des Unfalls. Bereits die einfache Betriebsgefahr des Schienenfahrzeuges ist in Folge seines fehlenden Ausweichvermögens, seiner großen Bewegungsenergie und der begrenzten Bremsfähigkeit grundsätzlich höher zu bewerten als die eines Kraftfahrzeuges. Diese Betriebsgefahr ist des Weiteren durch das Reaktionsverschulden ihres Führers erhöht. Dies rechtfertigt es, die einfache Betriebsgefahr des in den Unfall verwickelten VW-Busses in der konkreten Situation zurücktreten zu lassen.
Rz. 375
OLG Hamm
Die Betriebsgefahr der Straßenbahn (2) kann hinter das Verschulden des Pkw-Fahrers (1) vollständig zurücktreten, wenn dieser vor dem Linksabbiegen auf die Schienen fährt, ohne auf die nahende Straßenbahn zu achten. Der Pkw-Fahrer (1) haftet zu 100 %, weil er so nahe vor der Straßenbahn (2) auf die Schienen gefahren war, dass diese am Weiterfahren gehindert wurde und nicht mehr rechtzeitig abgebremst werden konnte.
Rz. 376
OLG Hamm
Rechnet der Fahrer einer Straßenbahn (2) irrtümlich damit, dass der vorausfahrende Pkw (1) seinen eingeleiteten Linksabbiegevorgang rechtzeitig beenden werde und er freie Fahrt haben werde, haftet er zu 50 %, wenn er deshalb nicht gebremst hatte. Er hätte bei dieser Situation mit einem Abbremsen den Zusammenstoß vermeiden können.
Rz. 377
OLG Brandenburg
Fährt ein alkoholisierter Autofahrer ungebremst in einen auf einem Bahnübergang stehenden Güterzug, haftet er zu 100 %. Von einer Pflichtverletzung, begangen durch einen Mitarbeiter der Beklagten, kann nicht ausgegangen werden. Das in einer Bedienungsanweisung für die Durchführung von Rangierfahrten geregelte Sichtfahrgebot betrifft schon vom Wortsinn her nur den voraus befindlichen Bereich. Soweit es weiter heißt, der Triebfahrzeugführer habe bei jeder Rangierfahrt den Gleisbereich und die Signale ständig zu beobachten, kann auch daraus nicht hergeleitet werden, dass mit dem ständigen Beobachten insbesondere der rückwärtige Gleisbereich gemeint sein soll. Etwas anderes kann gelten, wenn der Fahrer Auffälligkeiten erkennt, die ein gefahrloses Anfahren einschränken könnten und denen er deshalb nachgehen hätte müssen.
Rz. 378
OLG Brandenburg
Muss ein Wendender auf einer Straßenbahntrasse warten, um den Gegenverkehr passieren zu lassen, haftet der Fahrer des wendenden Kfz zu 70 %, wenn es zu einer Kollision mit der Straßenbahn kommt. Die allgemeine Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Wendenden ist durch das Blockieren der Schienen gesteigert. Auf der anderen Seite ist die erhöhte Betriebsgefahr der Straßenbahn wegen der Schienengebundenheit, dem längeren Bremsweg und der größeren Aufprallwucht zu berücksichtigen.
Rz. 379
LG Hannover
Verursacht ein Verkehrsteilnehmer einen Unfall mit einer Straßenbahn, haftet er nicht für die Kosten des Schienersatzverkehrs. Die Betreiberin des Schienenverkehrs muss die Beeinträchtigung ersatzlos hinnehmen. Der Schutzzweck etwaiger verletzter Verkehrsvorschriften kann nach allgemeinem Verständnis nicht so weit gehen, dass durch eine unfallbedingte Verkehrsstockung erlittene Vermögensschäden von der Ersatzpflicht mit umfasst sind. Ein Ersatzanspruch wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gem. § 823 Abs. 1 BGB ist ebenfalls nicht begründet. Weder liegt eine Betriebsbezogenheit vor, noch ist es Sinn des besonderen Rechtsschutzes, dem Gewerbetreibenden Ersatz für seinen Vermögensschaden zu geben, die ein anderer unter gleichen Umständen selbst tragen müsste.