Rz. 1037
Rz. 1038
OLG Hamm
Ein 13-jähriger Radfahrer (1) kommt am Fahrbahnrand (Asphaltdecke 3 cm höher als unbefestigter Fahrbahnrand) zu Fall und wird von einem Pkw (2), der an ihm vorbeifahren wollte, überfahren. Der Junge (1) wird dabei schwer verletzt. Der Fahrer des Pkw (2) haftet zu 100 %, weil er in der konkreten Situation die gebotene Verpflichtung zur angemessenen Reduzierung und Angleichung der Geschwindigkeit verletzt hatte und damit den Unfall verschuldete. Die Straße war an der Unfallstelle nur 5,20 m breit. Ein Fahrzeug war entgegengekommen.
Rz. 1039
BGH
Ein Lkw-Fahrer (2) haftet zu 100 % bei einem Unfall mit einem 13 Jahre alten Fahrrad fahrenden Kind, das er an einer sich verengenden Fahrbahnstelle mit ca. 35 km/h und einem unter 1 m liegenden Seitenabstand überholen wollte.
Rz. 1040
OLG Schleswig
Einem elfjährigen Kind muss – insbesondere nach mehrfachen Ermahnungen seiner Mutter – klar sein, dass es sich bei einem kombinierten Rad-/Fußweg in unmittelbarer Fahrbahnnähe nicht um einen Spielplatz handelt. Toben und Spielen von Kindern in unmittelbarer Nähe der Fahrbahn ist sehr gefährlich; das hätte auch einem Elfjährigen einleuchten müssen. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Nicht jede im Blickfeld des Kraftfahrers erscheinende Person der in § 3 Abs. 2a StVO genannten Gruppen erfordert ein sofortiges Abbremsen oder Anhalten. Nach den Umständen kann es genügen, wenn der Fahrer seine Geschwindigkeit auf Schrittgeschwindigkeit reduziert und zur Gefahrenvermeidung vorab durch Hupen auf sich aufmerksam macht. Auf die fehlende Einsichtsfähigkeit eines Elfjährigen i.S.v. § 828 Abs. 3 BGB muss sich eine Partei ausdrücklich berufen. Nach der gesetzlichen Regelung wird die Einsichtsfähigkeit widerlegbar vermutet, der Mangel ist deshalb nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (amtl. LS.). Unter diesen Umständen haftet der Pkw-Fahrer zu 75 %, das Kind zu 25 %.
Rz. 1041
OLG Brandenburg
Ein Autofahrer (2) haftet nicht für Schäden, die einem zwölfjährigen Radfahrer (1) dadurch entstehen, dass dieser plötzlich hinter einem stehenden Fahrzeug hervorkam und die Straße kreuzte. Zwar müssen sich gem. § 3 Abs. 2a StVO Fahrzeugführer gegenüber Kindern so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jedoch muss sich der Kraftfahrer nicht immer und unter allen Umständen darauf gefasst machen, dass sich ein in der Nähe befindliches Kind unbesonnen verhalten werde. Das gilt jedenfalls für ältere Kinder, bei denen Kenntnisse elementarer Verkehrsregeln vorausgesetzt werden. Der Fahrer hat sich ordnungsgemäß verhalten, das Verschulden des Kindes überwiegt so stark, dass die minimale Betriebsgefahr des Pkw zurücktritt.
Rz. 1042
OLG Naumburg
Die Stellungnahme der Autofahrerin, in der sie ausführt, die nur geringe Unterschreitung des Sicherheitsabstandes zur überholten Radfahrerin rechtfertige nicht die Anrechnung eines Mitverschuldensanteils von 1/5 zu ihren Lasten, vermag nicht zu überzeugen. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass ein völliger Haftungsausschluss ihren schuldhaften Verstoß gegen § 5 Abs. 4 StVO nicht gebührend berücksichtigen würde. Die Einhaltung eines seitlichen Mindestabstands ist umso wichtiger, wenn – wie im vorliegenden Fall – auf dem Fahrrad zudem noch ein Kleinkind im Alter von fünf Jahren transportiert wird. Dann ist ein seitlicher Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern einzuhalten.
Rz. 1043
OLG Celle
Kommt es zu einem Unfall zwischen einem Kfz (2) und einem Kind (1), so findet § 828 Abs. 2 BGB nur für Unfälle ab dem 1.8.2002 Anwendung. § 828 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. geht von der – widerlegbaren – Vermutung aus, dass ein siebenjähriges Kind für einen von ihm verursachten Unfall verantwortlich ist. Die vom OLG Schleswig im Hinblick auf die Gesetzesänderung zum 1.8.2002 vorgenommene Umkehr dieses Regel-Ausnahmeprinzips hält der Senat nicht für vertretbar. § 828 Abs. 2 BGB, wonach ein Kind in der hier vorliegenden Fallgestaltung für den Schaden nicht verantwortlich ist, gilt nach der Entscheidung des Gesetzgebers erst für Fälle ab dem 1.8.2002. Dass diese Regelung auch auf Fälle vor diesem Zeitpunkt angewendet werden soll, hat der Gesetzgeber nicht bestimmt.
Rz. 1044
AG Wetzlar
Kommt es zu einem Unfall zwischen einem siebenjährigen Fahrradfahrer in der Straße, in der er wohnt, haben die Eltern die Aufsichtspflicht nicht verletzt, wenn das Kind regelmäßig alleine und unter Aufsicht bereits seit zwei Jahren Rad gefahren war. Es ist davon auszugehen, dass das Kind in dieser Zeit mit den Gefahren des Straßenverkehrs vertraut gemacht wurde. Die Aufsicht wurde auch deshalb nicht verletzt, weil sich der Unfall in einer verkehrsarmen Tempo-30-Zone ereignet hatte und die im Haus befindliche Muter das Kind angewiesen hatte, nur vor dem Haus und nicht bis zur Kreuzung zu fahren. Hieran ändert auch die Privilegierung d...