Unfall bei einer in beiden Fahrtrichtungen verengten Fahrbahn – wer haftet?
Es wurde eng an auf einer Straße. Zu eng, damit ein Bus und ein entgegenkommender Pkw einander passieren konnten. Denn in beiden Fahrtrichtungen war jeweils am rechten Fahrbahnrand ein Fahrzeug geparkt. Die Fahrbahn war damit so verengt, dass immer nur ein Fahrzeug die Stelle hätte passieren können.
Versicherung sieht Mithaftung des wartenden Autofahrers
Es kam zur Kollision zwischen Bus und Pkw. Vor Gericht musste die Haftungsfrage geklärt werden. Die Versicherung des beklagten Omnibus-Fahrers hatte sich geweigert, für den Schaden aufzukommen. Sie sah zumindest eine Mithaftung des Autofahrers. Der Unfall sei für keinen der Beteiligten unabwendbar gewesen.
Das LG Saarbrücken kam zu der Einschätzung, dass der Omnibus sich auf der Fahrspur des Autofahrers befand, als es zur Kollision kam. Es sah die alleinige Schuld bei dem Busfahrer. Der habe gegen das Rechtsfahrverbot § 2 Abs. 2 StVO verstoßen.
Geschwindigkeit reduzieren, Sicherheitsabstand gefahrlos auf Mindestmaß verringern
Bei einer verengten Fahrbahn gilt: Grundsätzlich müssen die beteiligten Fahrer ihre Geschwindigkeit so reduzieren, dass sie den Sicherheitsabstand zu dem Hindernis gefahrlos auf das erforderliche Maß reduzieren können. Die Sorgfaltspflichten der Fahrer ergeben sich aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO.
Reicht der Platz grundsätzlich aus, dass beide Fahrzeuge trotz verengter Fahrbahn zeitgleich die verengte Stelle passieren können, müssen sie sich den verfügbaren Platz gleichmäßig teilen. Dabei spielt es keine Rolle, ob eines der Fahrzeuge deshalb die Mittellinie überfahren muss.
Wer zuerst an eine Engstelle kommt, hat Vorfahrt
Wenn jedoch nur ein Fahrzeug die Engstelle passieren kann, dann gilt quasi: „first come, first serve“, das heißt, derjenige, der zuerst die Stelle erreicht, darf sie auch als erster passieren.
Im vorliegenden Fall hatte der Pkw-Fahrer behauptet, zuerst an der verengten Stelle angekommen zu sein. Er habe dennoch hinter dem Fahrzeug, dass auf seiner Seite die Fahrbahn verengte, gewartet, obwohl der Bus noch etwa 100 bis 150 Meter von der Stelle entfernt gewesen sei. Der Busfahrer habe sein Fahrzeug aber schon in dieser Entfernung über die Mittellinie manövriert.
Das Gericht stellte fest, dass der Omnibus-Fahrer warten und den Pkw-Fahrer hätte passieren lassen müssen. Dass der Pkw-Fahrer gewartet habe und damit dem Bus zu erkennen gegeben habe, dass er als erster passieren könne, entlaste den Busfahrer nicht. Er hätte darauf achten müssen, dass er ohne Gefahr zwischen dem an seinem rechten Fahrbahnrand geparkten Lieferwagen und dem wartenden Pkw-Fahrer auf der Gegenspur fahren konnte.
Wenn nicht klar ist, ob der Platz ausreicht: Von einem Dritten einweisen lassen oder nicht passieren
Wenn für den Busfahrer nicht klar abzuschätzen war, ob der Platz ausreichte, um die Stelle ohne Kollision zu passieren, hätte er sich entweder von einem Dritten einweisen lassen müssen oder er hätte darauf verzichten müssen, die Stelle zu passieren.
Da der Busfahrer diesen Anforderungen nicht nachgekommen war, sah das Gericht auch keine Mithaftung bei dem Pkw-Fahrer. Seine Schadensersatzforderung ist berechtigt.
(LG Saarbrücken, Urteil v. 13.10.2021, 17 O 4/20).
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Hintergrund: Haftung bei Unfall in einer Engstelle
Ereignet sich ein Unfall an einer Stelle, an der sich die Fahrbahn für einen oder beide Verkehrsteilnehmer verengt, kommt es grundsätzlich zu einer überwiegenden oder alleinigen Haftung des Verkehrsteilnehmers, auf dessen Seite sich die Verengung der Fahrbahn oder das Hindernis befindet (BGH, VersR 66, 929; OLG Bamberg, VersR 82, 983), da dieser Fahrer dem Entgegenkommenden gem. § 6 S. 1 StVO Vorrang gewähren muss (Jagow/Burmann/Heß, StraßenverkehrsR, § 6 StVO, Rn 8b).
Sofern der wartepflichtige Fahrer dennoch seine Vorbeifahrt erzwingen will, so haftet er für den Unfall in der Regel alleine. Der Wartepflichtige muss ggf. seine Geschwindigkeit anpassen und Vorrang gewähren. Allerdings ist bei einer Engstelle, die das gleichzeitige Passieren entgegenkommender Fahrzeuge unmöglich macht, in der Regel immer einer Verständigung zu verlangen, wer die Fahrt fortsetzen kann.
Nach aktueller Rechtsprechung gelten für beide Fahrer – neben § 6 StVO – grundsätzlich immer auch die Sorgfaltspflichten nach § 1 StVO, so dass auch nicht ausschließlich auf das "Vorrangsrecht" vertraut werden kann (so u.a. OLG Schleswig, Beschl. v. 24.4.2020 – 7 U 225/19). Ebenso besteht immer eine Pflicht zum Fahren mit angepasster Geschwindigkeit, da ansonsten trotz "Vorrangsregel" ein Weiterfahren bei zwei nebeneinander passierenden Fahrzeugen unmöglich gemacht wird.
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