Rz. 1348
Rz. 1349
OLG Oldenburg
Bei einem Unfall auf dem Parkplatz ist sowohl das Verhalten des aus der Parkbucht Ausfahrenden (1) als auch des die Fahrspur benutzenden Verkehrsteilnehmers (2) gem. § 1 StVO zu beurteilen. Bei der allgemeinen Beweislastverteilung verbleibt es bei den Regelungen des § 17 StVG. Kommt es zu einer Kollision zwischen dem aus der Parkbucht Ausfahrenden und dem die Fahrspur verwendenden Verkehrsteilnehmer, haften beide zu 50 %.
Rz. 1350
BGH
Steht fest, dass sich eine Kollision auf einem Parkplatzbeim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende also noch nicht stand, spricht auch in diesen Fällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende seiner Sorgfaltsverpflichtung nach § 1 Abs. 2 StVO i.V.m. der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO nicht nachgekommen ist. Er hat den Unfall hierdurch (mit)verursacht. Der Anscheinsbeweis greift gegen den Rückwärtsfahrenden allerdings dann nicht ein, wenn beim Ausparken von zwei Fahrzeugen zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision bereits stand, als der andere Rückwärtsfahrende mit seinem Fahrzeug in das Kfz hineingerfahren ist. Unabhängig vom Eingreifen des Anscheinsbeweises können die Betriebsgefahr der Kfz und weitere, sie erhöhende Umstände nach § 17 Abs. 1, 2 StVG berücksichtigt werden.
Rz. 1351
BGH
Kommt es auf einem Parkplatz zu einem Unfall, weil ein zurückstoßender Kfz-Führer mit einem dahinterstehenden Kfz kollidiert, ist die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO mittelbar anwendbar bzw. deren Wertung im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Kollidiert der Rückwärtsfahrende mit dem dahinterstehenden Kfz, können zugunsten desjenigen, der sich auf ein unfallursächliches Verschulden des Rückwärtsfahrenden beruft, die Grundsätze des Anscheinsbeweises angewendet werden. Auch bei Parkplatzunfällen spricht unter diesen Umständen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der erforderlichen Sorgfaltsverpflichtung nicht nachgekommen ist und den Unfall, dadurch (mit)verursacht hat.
Rz. 1352
BGH
Parken zwei Pkw rückwärts aus einer Parkbucht in eine zwischen den Parkplätzen befindliche Gasse aus, kommt es für die Haftungsverteilung darauf an, ob einer der rückwärts Fahrenden nachweisen kann, dass er im Kollisionszeitpunkt bereits gestanden habe. Auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter gilt anstelle des § 9 Abs. 5 StVO das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 2 StVO). § 9 Abs. 5 StVO ist auf Parkplätzen allerdings mitelbar anwendbar. Dessen Wertung ist im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Bei einem Unfall im Zusammenhang mit dem Rückwärtsfahren kann grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins für das Verschulden des Rückwärtsfahrenden sprechen. Es reicht allerdings das "Kerngeschehen" – wie hier das Rückwärtsfahren – nicht aus, als Grundlage für den Anscheinsbeweis, wenn weitere Umstände bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Diese Typizität liegt nicht vor, wenn zwar feststeht, dass ein Kfz-Führer vor dem Zusammenstoß rückwärts gefahren war, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision bereits stand, als der andere Fahrzeugführer in sein Kfz gefahren ist. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich der Schluss aufdrängt, dass auch der Fahrzeugführer, der sein Fahrzeug vor der Kollision aus dem Parkplatz zum Stillstand gebracht hatte, die ihn treffende Sorgfaltsverpflichtung verletzt hat.
Rz. 1353
OLG Hamburg
Es stellt keinen Verstoß gegen die gesteigerte Sorgfaltspflicht in § 14 Abs. 1 StVO dar, wenn eine Mutter beim Anschnallen ihres Kindes in einem an der Straße parkenden Pkw die Tür öffnet und diese von einem herannahenden Pkw allein deshalb beschädigt wird, weil der Fahrer den erforderlichen Seitenabstand nicht eingehalten hat. Die gem. §§ 17 Abs. 1, 18 StVG gebotene Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrzeugführer führt dazu, dass der Pkw-Fahrer zu 4/5 haftet. Wenn sich die Tür des Klägerfahrzeugs unmittelbar vor der Kollision nicht weiter geöffnet hat, hat der Beklagte die wesentliche Unfallursache gesetzt, weil er den seitlichen Abstand zu dem parkenden Pkw falsch eingeschätzt hat.
Rz. 1354
OLG Brandenburg
Kollidiert ein rückwärts ausparkendes Kfz, dessen Führer gegen § 10 StVO verstößt und den in der Fahrbahn befindlichen Verkehr nicht hinreichend beachtet, mit einem Fahrzeug des fließenden Verkehrs, dessen angetrunkener Fahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 20 km/h überschreitet, haften beide Fahrer zu 50 %. Wird ein aufgrund Alkoholkonsums absolut fahruntüchtiger Kfz-Führer in einen Unfall verwickelt, so gilt nach dem Beweis des ersten Anscheins seine Alkoholisierung als unfallverursachend, ...